Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)
immer treu ergeben. Ioannis vertraut dir.«
»Die kaiserliche Familie ist hoffnungslos zerstritten. Theodor ist verstimmt, weil Ioannis vor unserer Abreise Konstantin zum Regenten ernannt hat. Er fürchtet, Konstantin könnte dem Basileus nachfolgen, und legt sich deshalb mit Ioannis an. Thomas streitet sich seit Jahren mit Demetrios. Ioannis glaubt, Demetrios könnte erneut zum Verräter werden, wie vor sechzehn Jahren, als er aus Byzanz flüchtete, weil er mit seiner Herrschsucht sämtliche Brüder gegen sich aufgebracht hatte. Sultan Murad fürchtet die Kirchenunion wie einen neuen Kreuzzug gegen den Islam. Mit türkischer Unterstützung könnte Demetrios den Basileus stürzen und sich selbst auf den Purpurthron setzen.«
»Um Himmels willen! Sein letzter Versuch, sich mit der Hilfe von Sultan Murad des Thrones zu bemächtigen, ist ja Gott sei Dank gescheitert! Sollte dieser Narr als Vasall des Sultans Byzanz regieren, dann wird die Hagia Sophia bald eine Moschee sein«, lamentierte Basilios.
»Wer sich Demetrios in den Weg stellt, wird rücksichtslos niedergemacht«, seufzte ich. »Seit Monaten intrigiert er gegen mich. Ich hätte meine Mönchsgelübde gebrochen, mich mit der Kaiserin der Todsünde des Ehebruchs schuldig gemacht und unseren kaiserlichen Bruder verraten.«
»Das ist doch lächerlich!«, empörte sich Basilios. »Niemals hast du eine Frau auch nur angesehen! Und noch nie bist du in Versuchung gekommen, denn deine Gelübde sind dir heilig.« Beunruhigt blickte er mich von der Seite an: »Sag mal, Niketas, der Basileus glaubt doch nicht ernsthaft, dass du mit Maria im Bett warst?«
»Natürlich nicht!«, murmelte ich und wich seinem Blick aus. Basilios war nicht nur mein bester Freund, sondern auch mein Beichtvater. Es fiel mir schwer, ihm die Wahrheit zu verschweigen. Aber ich konnte ... ich durfte sie ihm nicht sagen!
Selbstverständlich wusste Ioannis, was in jener Nacht geschehen war. Verzweifelt schluchzend war Maria von seinem Bett in meines geflohen - mit stillschweigendem Einverständnis ihres kaiserlichen Gemahls. Er wusste, wo sie in jener Nacht Zuflucht gefunden hatte.
Aber er war selbst zu enttäuscht und zu gedemütigt gewesen, um Maria zärtlich in die Arme nehmen und trösten zu können. Und vielleicht hatte er sogar im Stillen gehofft, ich würde ihm seinen Herzenswunsch erfüllen ...
»Weißt du, Basilios, seit der verstorbene Kaiser Manuel mich vor siebenundzwanzig Jahren in seine Familie aufnahm, kann ich mich an keinen einzigen Tag ohne erbitterten Streit, Intrigen und Verrat erinnern. Meine Brüder sind hoffnungslos zerstritten. Wie also wird Ioannis meinen Rückzug vom Spielbrett der Macht in Byzanz aufnehmen?«
Kapitel 5
Als Tayeb und ich das Boot erreichten, tauchte der heraufziehende Tag den östlichen Himmel in ein rosenfarbenes Licht. Violette Schatten versanken zwischen den Dünen. Mit jeder Minute wurde es heller!
Tayeb verstaute die Tasche am Heck und half mir, das Boot über den Strand zum Wasser zu ziehen. Hohe Wogen umspülten unsere Beine, und es war nicht leicht, den Kahn weit genug in die Dünung zu ziehen, damit er nicht gleich wieder zurück auf den Strand geworfen wurde.
»Nimm die Ruder!« Stöhnend vor Schmerz hob Tayeb mich aus dem Wasser, sodass ich ins schwankende Boot klettern und ihm beim Einsteigen helfen konnte. Sein Gesicht war blass, als er sich mir gegenüber auf die Ruderbank sinken ließ.
»Ich werde rudern!«, entschied ich. »Du ruhst dich aus!«
Er widersprach mir nicht. Mit der Tasche zu seinen Füßen lehnte er sich gegen die Bordwand und schloss die Augen.
Wir müssen einen Arzt aufsuchen!, dachte ich besorgt. Die Wunde muss genäht werden. Und er braucht ein Mittel gegen die Schmerzen.
Das Rudern gegen die Wogen kostete sehr viel Kraft. Mit meinem ganzen Gewicht stemmte ich mich gegen die Ruderbank und riss an den Riemen, doch wir kamen nur langsam voran.
Der Horizont erglühte in feurigem Licht. Lange bevor wir die Landzunge mit der Ruine des Pharos erreicht hatten, würden wir vom Strand aus zu sehen sein. Die Schergen des Patriarchen, die uns in den Ruinen suchten, würden unsere Spuren zu der Stelle am Strand zurückverfolgen, wo während der Nacht das Boot gelegen und einen tiefen Abdruck im Sand hinterlassen hatte. Ein Blick aufs Meer, und sie hätten uns entdeckt, wie wir an der Befestigungsmauer auf der Landzunge entlangruderten, um den Hafen zu erreichen. Wenn sie uns am Kai erwarteten, war alles vergebens gewesen.
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