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Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Papst: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Ich kniff die Lippen zusammen und riss an den Riemen.
    Sobald wir die hohen Wellen am Strand hinter uns gelassen hatten, fiel mir das Rudern leichter. Ich musste jedoch achtgeben, dass die Wogen mich nicht gegen die Wellenbrecher unterhalb der Festungsmauer des Hafens drückten. Wie Spielzeug würde das Boot an den großen, scharfkantigen Felsen zerschellen.
    Immer wieder huschte mein Blick über Tayebs Schulter hinweg zum Strand. Hatten die Gefolgsleute des Patriarchen schon die Ruine der Synagoge erreicht? Hatten sie bemerkt, dass die Tonkrüge leer waren? Folgten sie bereits unseren Spuren bis zum Meer?
    Tayeb richtete sich auf. »Ich werde jetzt rudern! Setz dich hierher, Alessandra.«
    Ich gab nach, überließ ihm die Ruder und tauschte mit ihm die Plätze. In der Tasche suchte ich nach dem blutigen Pergament. Ich entfaltete es und zeigte es Tayeb. »Diesen Brief habe ich dem Römer abgenommen. Das Blut hat das Schreiben nahezu unleserlich gemacht.«
    »Was steht drin?«, fragte er, während er sich mit aller Kraft in die Riemen legte.
    »Es ist ein Beglaubigungsschreiben für denjenigen, der den Brief bei sich trug. Der Name wird jedoch nicht genannt. Er ist auf Lateinisch verfasst. Die Handschrift wirkt sehr selbstbewusst. Ich glaube nicht, dass ihn ein Sekretär oder ein Kanzleischreiber verfasst hat. Der Brief wurde eigenhändig geschrieben. Von demjenigen, der den Befehl gab, mich zu töten.«
    »Und wer ist das?«
    »Keine Ahnung. Der Brief war unterzeichnet, aber das Blut hat die Tinte aufgelöst. In der letzten Zeile kann ich nur wenige Buchstaben entziffern: ›Patri...‹, was alles Mögliche heißen kann: Pater ... Patriarch ... Patrimonium Petri ... in nomine Patris et Filii. Die Sprache des Briefes ist das Latein eines Gelehrten. Eines Mönchs oder eines Priesters. Das Wort ›Patri.. .‹ spricht dafür!«
    »Und wenn das Wort nun Patriarch bedeutet? Könnte Philotheos den Brief geschrieben haben?«
    Nachdenklich schüttelte ich den Kopf. Welchen Grund konnte er haben, mich zu töten? Erst vor wenigen Tagen hatte er mich zum Abendessen empfangen. Doch wieso hatte er dem Assassino bewaffnete Gefolgsleute zur Verfügung gestellt?
    »Wer dann?«
    »Es gibt nur einen Patriarchen der lateinischen Kirche in Italien: Ludovico Scarampo, Patriarch von Aquileia, Erzbischof von Florenz und Vertrauter von Papst Eugenius.«
    Ich starrte auf den Brief in meiner Hand. Wieso sollte Scarampo meinen Tod beschließen? Gewiss, er war sehr ehrgeizig: Er wollte Papst werden. Aber was, zum Teufel, hatte ich damit zu tun?
    »Nein, Tayeb, Ludovico Scarampo hat diesen Brief nicht verfasst. Er gehört nicht zu Lucas Feinden.«
    Da fiel mir ein, dass Kardinal Giovanni Vitelleschi seit fünf Jahren lateinischer Patriarch von Alexandria war. Ich kannte ihn seit vielen Jahren, seit mein Cousin, Papst Martin, ihn zum Bischof ernannt hatte. Hatte Vitelleschi diesen Brief geschrieben? Nein! Trotz allem, was er meiner Familie in Rom angetan hatte, war das undenkbar. Auf Befehl von Papst Eugenius hatte er Luca und mich weder verfolgt noch bedroht.
    »Der Patriarch von Konstantinopolis hält sich seit Monaten in Italien auf«, riss mich Tayeb aus meinen Überlegungen. »Seit letzten April halten die Lateiner und die Griechen in Ferrara ein Konzil ab, um das Schisma zu beenden.«
    »Patriarch Joseph ist achtzig Jahre alt. Diesen Brief hat gewiss kein alter Mann geschrieben. Und die Kirchensprache in Byzanz ist Griechisch, nicht Lateinisch. Und wieso sollte mir der Patriarch nach dem Leben ...« Ich verstummte.
    »Was ist?«
    »Luca hat in Bologna, Ferrara und Paris Theologie und Kirchenrecht studiert«, sinnierte ich. »Und er war einige Monate in Byzanz. Er kennt Patriarch Joseph aus dieser Zeit.«
    Mein Gott, dachte ich. Konnte es sein ... ?
    Doch dann verwarf ich den Gedanken. Der Brief war in Latein verfasst, nicht in Griechisch. Er war an italienische Fürsten gerichtet, nicht an orthodoxe Patriarchen. Wegen meines überstürzten Aufbruchs aus Florenz war für meinen Verfolger keine Zeit mehr geblieben, den Brief übersetzen und signieren zu lassen - was bedeutete, dass der Verfasser dieses Schreibens nicht in Florenz gewesen war.
    Nahm er am Unionskonzil in Ferrara teil? Papst Eugenius hielt sich mit dem gesamten Kardinalskollegium seit Monaten in Ferrara auf, um mit dem byzantinischen Kaiser über die Vereinigung der römischen und der griechischen Kirche zu verhandeln, die seit dem Schisma von 1054 getrennt waren. War der

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