Der vergessene Strand
vorherbestimmt gewesen war.
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Kapitel 21
E rst an diesem Abend wurde Amelie bewusst, was sie sich eigentlich von Dan versprochen hatte. Sie hatte so sehr darauf gehofft, bei ihm Antworten zu finden.
Zum Beispiel auf die Frage, ob sie dauerhaft mit Michael zusammenbleiben sollte. Oder ob sie hier ein letztes Mal abbiegen durfte, ehe ihr Leben dann eine Richtung einschlug, die hoffentlich für die nächsten Jahrzehnte Bestand hatte.
Eigentlich war es schon fast lachhaft, wie sie sich an ihn geklammert hatte. Schwärmerisch und voller Naivität hatte sie geglaubt, es könne ja mal so laufen wie in einem Liebesfilm. Dort standen sich Mann und Frau doch auch gegenüber und wussten sofort, dass sie zueinandergehörten. Und dann mussten nur noch ein paar Hindernisse aus dem Weg geräumt werden, und alle waren glücklich.
Hier war das Hindernis leider eine sehr hübsche Ehefrau.
Amelie fuhr zu Mathilda. Dort brannte noch Licht. In dem kleinen Gärtchen hinter dem schmalen Haus hingen Lampions in den Bäumen, und melancholische Tangoklänge verzauberten die kühle Waliser Nacht. Etwa zwei Dutzend Leute hatten sich hier versammelt, um zu feiern – das Leben, einen Geburtstag oder einfach, dass heute ein wunderschöner Tag war. Als Amelie mit der Reisetasche in der Hand durch das Gartentörchen unter dem Rosenspalier trat, wandten sich ihr ein paar fröhlich erhitzte Gesichter zu – darunter auch Mathilda, die einen spitzen Schrei ausstieß und sich auf sie stürzte, als sei Amelie eine lange verschollene Freundin.
«Es ist Amy!», rief sie, als würde das alles erklären, und einige ihrer Freunde drängten sich um die beiden, um Amelie zu begrüßen. Sie stellten sich vor, und jemand drückte ihr ein Glas Wein in die Hand, das Amelie bei der ersten Gelegenheit diskret auf einem Tisch abstellte.
Wie sie bald herausfand, hatte Mathilda Geburtstag, den sie mit all ihren Freunden feierte. Auch Cedric war da, nicht wie sonst mit Pullunder und Krawatte, sondern mit einem kurzärmeligen Hemd. Seine Frau war ein charmantes, kleines Persönchen mit winzigen, stahlgrauen Locken und schwarz funkelnden Augen. «Nehmt dem armen Mädchen doch den Wein weg, sie will ihn ja doch nicht trinken!», rief sie, nachdem Cedric die beiden miteinander bekannt gemacht hatte. Sie zwinkerte Amelie zu.
Hier wurde sie mit offenen Armen willkommen geheißen. Man nahm sie auf, als habe sie schon immer dazugehört. Keine halbe Stunde nach ihrer Ankunft saß Amelie mit den anderen Gästen auf einer Bierbank, und sie sangen «Happy Birthday», während Mathildas beste Freundin einen zweistöckigen Geburtstagskuchen mit sechsundzwanzig Kerzen aus dem Haus trug.
Sie wünschte, sie könnte auch so viele Freunde um sich versammeln, wenn sie etwas zu feiern hätte.
Dieser Gedanke raubte ihr für einen Augenblick den Atem, aber dann drückte ihr jemand einen Pappteller mit Geburtstagstorte in die Hand, mit der sie sich beschäftigen konnte. Cedric und seine Frau Penelope kamen zu ihr herübergeschlendert, setzten sich zu Amelie und plauderten ein bisschen mit ihr. Irgendwann kam Mathilda hinzu, mit rosigen Wangen und einem fröhlichen Funkeln in den Augen.
«Hast du ein Zimmer für mich?», fragte Amelie.
Inzwischen hatte jemand im Haus die Musikanlage aufgedreht und die Fenster geöffnet. Cat Stevens erfüllte den Garten, Cedric zog Penelope auf die Füße. Sie tanzten eng aneinandergeschmiegt zu «Wild World», obwohl Amelie bisher nicht für möglich gehalten hätte, dass man dazu so richtig tanzen konnte. Und als danach die Rolling Stones ihr «Paint it Black» in den Nachthimmel schrien, hopsten die beiden wild und ausgelassen.
«Natürlich bleibst du bei uns», sagte Mathilda. Amüsiert beobachtete sie, wie Cedric mit seiner Penelope kreuz und quer durch den Garten galoppierte. «Ich hätte allerdings eher vermutet, dass du bei Dan unterkommst.»
«Seine Frau war heute da.»
«Ist Felicity zurück? Das wundert mich.» Mathilda war ehrlich erstaunt.
Natürlich wusste Mathilda Bescheid. Pembroke war nicht so groß, dass man nicht alles mitbekam. Alle wussten Bescheid. Amelie schniefte.
«Ich hab nicht gewusst, dass es sie gibt.»
«Hm», machte Mathilda nur. Sie biss sich auf die Unterlippe, als müsste sie sich mit Gewalt daran hindern, etwas zu sagen.
Cedric und Penelope pflügten durch die Menge der Tanzenden. Beide lachten ausgelassen.
«Ich dachte immer, seine Frau sei tot.»
«Ja, seine erste Frau. Das war
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