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Der vergessene Strand

Der vergessene Strand

Titel: Der vergessene Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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wahr?»
    Amelie fuhr herum. Die andere stand hinter ihr, so dicht, dass sie erschrak. Streckte ihr die Hand hin, und Amelie musste die Reisetasche von rechts nach links wechseln, um ihr die Hand zu geben.
    «Ja», sagte sie verwirrt.
    «Mein Mann hat mir von Ihnen erzählt.»
    Mein Mann.
    Es hätte kaum schlimmer kommen können, aber Amelie hörte sich sagen: «Ja? Mir hat er von Ihnen nämlich nichts erzählt.»
    Das Lächeln auf dem Gesicht der anderen gefror. Dans Frau ließ Amelies Hand los, sie tat einen halben Schritt nach hinten. Er tauchte hinter ihr in der Tür auf, doch ehe er sich einmischen konnte, fand Amelie die Türklinke, nach der sie blind getastet hatte, drehte sich abrupt um und stürmte aus der Wohnung. Die Tür knallte ins Schloss, und dahinter erhoben sich die beiden Stimmen zu einem Streit, den Amelie nicht gewollt hatte.
    Auf der Treppe blieb sie stehen. Sollte sie zurückgehen und sich entschuldigen? Aber was sollte sie sagen? «Entschuldigung, das habe ich nicht so gemeint, wie es vielleicht klingt»?
    Aber das wäre gelogen.
    Sie zwang sich, weiterzugehen. Als sie die Reisetasche im Kofferraum abstellte, schaute sie nicht hoch zu den erleuchteten Fenstern.
    Jetzt war sie die Andere. Sie war der Eindringling in eine Ehe. Sie hatte ihn sogar geküsst, verdammt! Sie hatte in seinem Bett geschlafen, hatte morgens seine Erregung gespürt, als er neben ihr aufwachte. Sie war sich so verdammt erwachsen vorgekommen, weil sie nicht dem Impuls nachgegeben hatte, sich ihm zuzuwenden, ihn zu küssen und einfach alle Bedenken über Bord zu werfen. Sie hätte mit ihm schlafen können, wenn sie es gewollt hätte. Sie hatten es beide gewollt, und sie hatten es sich verwehrt, ohne so genau zu wissen, warum eigentlich.
    Sie hatte es nicht gekonnt, weil sie immer noch hoffte, dass mit Michael alles irgendwie in Ordnung käme.
    Und er war verheiratet.
    So einfach war das also.
    Eine Verirrung, nicht mehr.
    Amelie fühlte sich einfach nur mies. So mies, dass sie sich hinters Steuer setzte und losheulte.
    Verdammt, sie war kein Stück besser als diese Sabina. Sie hatte ihn nicht mal gefragt! Sie hatte geglaubt, er werde ihr schon sagen, wenn irgendwas dagegensprach, einander nahe zu sein. Und jetzt das. Sie fühlte sich so betrogen.
    Vielleicht sollte sie sofort heimfahren. Was hatte sie hier überhaupt zu suchen?
     
     
    Ihre Reisen nach Europa fanden 1914 ein jähes Ende. Sie waren gerade in London eingetroffen, als in Sarajevo das Attentat auf das österreichische Kronprinzenpaar verübt wurde.
    Cornelius, der schon seit Monaten vor einem drohenden Krieg in Europa gewarnt hatte, wollte sofort heimfahren. Er war ein guter Mann, doch manchmal stand ihm seine Ängstlichkeit im Weg.
    «Wann kommen wir zurück?», fragte Anne bang und beaufsichtigte das Kofferpacken.
    Cornelius zuckte mit den Schultern. «Ich weiß es nicht. Vielleicht nie.»
    Vielleicht nie. Der Gedanke erschütterte sie. Ihr Leben war wie das Meer den Gezeiten ihren jährlichen Besuchen in England unterworfen. Sobald sie im September nach Boston zurückkehrten, begann sie mit der Planung für die Reise des kommenden Jahres.
    «Nie!»
    Er umfasste ihre Schultern. «Anne. Irgendwann geht alles zu Ende! Lass doch endlich los.»
    «Ich weiß nicht, was du meinst», stotterte sie.
    «Ich spreche von Pembroke.»
    Sie starrte ihn stumm an.
    «Von der kleinen Antonia, die gar nicht mehr so klein ist», fügte er hinzu.
    Anne hatte das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. «Cornelius, Liebster …»
    Sie hatte gedacht, er wüsste nichts davon. Sie hatte gedacht, er würde es nicht merken. Und jetzt, nach all den Jahren, in denen sie aus der Ferne über ihre älteste Tochter gewacht hatte, erfuhr sie, dass er die ganze Zeit schweigend zugesehen hatte.
    «Ist schon gut.» Er winkte ab. «Den Kindern und mir warst du immer eine gute Mutter. Eine wunderbare Ehefrau. Und ich habe vom Leben mehr bekommen, als ich mir je erhofft hatte.»
    «Cornelius …»
    «Möchtest du ein letztes Mal nach Pembroke? Möchtest du Abschied nehmen von ihr?»
    Stumm nickte sie. Dann jedoch schüttelte sie den Kopf und tastete nach seiner Hand. «Nein», erwiderte sie leise. «Nein, ich will nicht noch mal nach Pembroke. Du hast recht – es ist gut gewesen.»
    Sie war ihm zu dankbar, um mehr sagen zu können. Sie wusste nur, dass es hier zu Ende ging.
    Jetzt musste sie loslassen. Sie führte ein anderes Leben als das, das ihr als Mutter eines Bastards einst

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