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Der vergessene Strand

Der vergessene Strand

Titel: Der vergessene Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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einsehen wollte, dass Amelie sich das Recht nahm, nach dem Vater zu suchen, den sie ihr immer vorenthalten hatte.
    «Lass ihr Zeit», sagte Dan, als hätte er ihre Gedanken gelesen. Und dann, als habe er nur auf den richtigen Zeitpunkt gewartet, um ihr davon zu erzählen, fügte er hinzu: «Ich habe meine Eltern früh verloren. Und bin in Pflegefamilien aufgewachsen. Da kann man Pech haben, aber ich hatte Glück. Vielleicht war ich auch genügsam und habe als Kind nicht viel vom Leben verlangt, weil meine ersten Jahre so schwierig waren.»
    Sie nickte.
    «Mit sechs kam ich zu den ersten Pflegeeltern. Sie haben mir das an Liebe gegeben, was sie unter den sieben liebesbedürftigen Pfleglingen dem einzelnen zukommen lassen konnten. Und das war deutlich mehr als alles, was ich zuvor von meinen Eltern bekommen hatte. Bis dahin war meine Kindheit wirklich schrecklich gewesen, und ich habe nur langsam begriffen, dass Eltern auch anders sein können. Meine erste Pflegefamilie hat mir zumindest das gegeben: dass ich wieder daran glaubte, etwas Gutes verdient zu haben. Und nicht als Fußabtreter für einen Alkoholiker und eine Depressive zu dienen, die mich nur bekommen haben, weil sie nicht wussten, wie sie mich loswerden sollten.»
    Er sagte das so nüchtern, dass es Amelie fast das Herz zerriss. Sie tastete nach seiner Hand. «Keine Sorge», sagte er, «ich hab das hinter mir gelassen. Du musst nicht fürchten, dass ich nachts aufspringe und dein Baby schüttle, weil es weint oder so.» Sein Lächeln geriet etwas schief, und Amelie streichelte seine Wange. Sie empfand so viel Zärtlichkeit für ihn. Wieso hatte sie bisher nie gefragt, woher er kam? Ihre eigene Vergangenheit hatte sie so sehr vereinnahmt, dass sie gar nicht auf die Idee gekommen war, dass auch er sein Päckchen zu tragen hatte. Sie fühlte sich plötzlich sehr selbstsüchtig, denn bestimmt hatte es Gelegenheiten gegeben, Fragen zu stellen.
    Sie waren einander immer noch relativ fremd. Ob das irgendwann aufhörte? Vielleicht nie. Oder war genau das nicht das Geheimnis, um lange miteinander glücklich zu sein? Wenn man sich zwar auf den anderen verlassen konnte, zugleich aber immer wieder neue Seiten an ihm entdeckte?
    «Wir sind so weit.» Diana trat aus der Küche. «Du darfst jetzt gucken kommen.»
    Amelie stand auf und nahm Dans Hand. «Komm», sagte sie, und er folgte ihr ins Innere des Hauses. Die Luft war abgekühlt, ein heftiger Wind strich durch die Räume.
    Das Zimmer unterm Dach war wie neu. Und doch hatte es die Atmosphäre ihrer eigenen Kindheit bewahrt, das spürte Amelie sehr deutlich.
    «Hier», Diana zeigte in eine Ecke, «kommt das Bettchen hin. Emmett kann so was schreinern, an der Säge ist er ein Gott. Er würde das gern machen.»
    Der Gott an der Säge stand in der Zimmerecke und kratzte sich verlegen im Nacken. «Jo», meinte er, mehr nicht. Kein Mann der großen Worte.
    Die erste Wand des Zimmers war schon tapeziert. Nicht mit der von ihr befürchteten Bärchentapete, sondern mit einer dezent gemusterten, weißen Tapete. Darauf klebte bereits ein Wandtattoo, die Silhouette eines Baums. Auf dem Boden davor lagen unzählige ausgeschnittene Blätter in den unterschiedlichsten Grüntönen.
    «Wir haben den Boden angeschliffen. Emmett meint, der ist noch gut. Wir könnten ihn komplett schleifen und neu versiegeln. Ist viel billiger, als ihn komplett neu zu machen.»
    Amelie blickte Emmett an. Wieder nickte er. «Jo.»
    «Aber du musst bald zurück nach Neuseeland.»
    «Nur bis Dezember. Über Weihnachten komm ich wieder und mach alles fertig.»
    «Wenn du nichts dagegen hast», fügte Diana hastig hinzu. «Wir würden gern über Weihnachten hier sein.»
    «Nicht in Berlin?»
    «Süße.» Diana trat zu ihr und legte die Arme um Amelies Schultern. «Was soll ich denn ohne dich in Berlin?»
    Bisher hatte Amelie gedacht, sie bliebe von den Gefühlswallungen verschont, die eine Schwangere heimsuchten. Doch das hier war zu viel für sie. Sie schniefte und musste sich hastig abwenden, weil ihr die Tränen in die Augen schossen.
    Das hier ist meine Familie, dachte sie staunend. Jene Menschen, die sich einfinden, wenn ich sie brauche, sind viel mehr Familie als die, die sich abwenden, weil ihnen die Vergangenheit nicht passt. Es tat ihr im Herzen weh, dass ausgerechnet ihre Mutter jetzt das Band abreißen ließ, das sie immer verbunden hatte. Aber vielleicht war das nun mal so. Mit der eigenen Familie, die Amelie nun gründete – und die vom ersten

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