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Der vergessene Strand

Der vergessene Strand

Titel: Der vergessene Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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ausruhen …
     
    Als sie aufwachte, war es schon dunkel. Amelie wusste einen Moment lang nicht, wo sie war. Blind tastete sie nach dem Nachtlicht und knipste es an. Sie fand ihr Handy auf dem Fußboden. Schon nach neun Uhr abends! Sie hatte über vier Stunden geschlafen und fühlte sich alles andere als erfrischt und ausgeruht.
    Nachdem sie sich das Gesicht gewaschen hatte, ging sie nach unten. Mr. Rowles saß noch immer oder schon wieder hinter dem Empfangstresen und spielte Freecell. Ob er auch mal was anderes machte?, überlegte sie. Irgendwann musste er doch alle theoretisch möglichen Freecell-Spiele durch haben.
    «Die Küche bleibt heute kalt», sagte er, ehe sie überhaupt etwas fragen konnte, und ihr blieb darum nichts anderes übrig, als in ihr Zimmer zurückzukehren. Natürlich hatte sie jetzt einen Bärenhunger, und während sie hin und her überlegte, wo sie jetzt noch schnell was zu essen herbekommen sollte, piepte ihr Handy.
    Michael schickte ihr weiterhin mindestens dreimal täglich Textnachrichten. Er wünschte ihr einen guten Morgen, er schrieb mittags, was er bisher gemacht hatte und wünschte ihr abends eine gute Nacht. Und mindestens einmal am Tag schrieb er: «Wann kommst du zurück?»
    Und jedes Mal war sie versucht, «nie!» einzutippen.
    liebe amelie –
 er hielt nichts von Großbuchstaben bei Kurznachrichten –,
kommst du im juli mit zur konferenz nach konstanz? muss das hotelzimmer buchen. wann kommst du zurück? m.
    «Gar nicht», flüsterte sie und pfefferte das Handy aufs Bett.
    Sie hatte es so satt! Dieses Gefühl, mit ihrem Leben direkt in eine Sackgasse gesteuert zu sein, belastete sie mehr, als sie zugeben wollte. Wenn wenigstens die Arbeit am Buch gut voranginge, dann hätte sie etwas in der Hand. Was sollte sie machen, wenn ihr Geld aufgebraucht war? Sie hatte Reserven, aber einige Wochen im Hotel, tägliches Mittagessen und keine Einkünfte – das vertrug sich nicht auf Dauer.
    Irgendwann musste sie also zurück nach Deutschland. Aus dem gemeinsamen Haus ausziehen, sich was Eigenes suchen, einen Job finden («Warum haben Sie im letzten Jahr nicht gearbeitet? Weil Sie ein Buch geschrieben haben? Soso.» – Sie konnte die Skepsis der Leute in der Personalabteilung förmlich spüren), eine Wohnung einrichten, ein Leben beginnen, das ihr jetzt noch schwer vorstellbar schien.
    Und immer wieder war da ein kleines ketzerisches Stimmchen, das sie lockte. Es wäre so viel einfacher, zu Michael zurückzukehren, so was macht er kein zweites Mal, das wird er dir nie wieder antun.
    Nein. Das konnte sie auf gar keinen Fall tun.
    Denn er hatte sie ja ein zweites Mal betrogen, wenn auch nicht im technischen Sinne, sondern eher, weil er ihr etwas Wichtiges verschwiegen hatte, das sie unmittelbar etwas anging. Vielleicht konnte sie ihm das sogar verzeihen, vielleicht hatte er das getan, weil er sie schützen wollte. Vielleicht hätte er ihr später noch davon erzählt, das konnte sie ja nicht wissen.
    Aber wie sollte das weitergehen? Sie säße daheim, ohne Kinder – zum Glück! – und mit der Gewissheit, dass er sich anderswo das Familienleben holte, das es bei ihr nicht gab? Noch schlimmer: Sie bekamen Kinder, eins, zwei, drei, und er wäre trotzdem nicht zu Hause, weil sie ihn nervte, weil ihre Kinder anstrengender waren als das eine, das er mit der anderen Frau hatte. Das natürlich zuckersüß und herzallerliebst war und nicht zu vergleichen mit denen daheim.
    Sähe so ihr Leben aus?
    Erschöpft sank sie aufs Bett. Ihre Hand ruhte auf dem Bauch, und sie horchte in sich hinein. Ein sanftes Ziehen kündigte wieder mal ihre Periode an, aber das hatte sie schon seit Tagen, und bisher war nichts passiert.
    Sie schloss die Augen. Das Kopfkino ging natürlich weiter. Wo ein Kind mit einer anderen Frau war, gab es sicher bald ein zweites. Er hätte eine Zweitfamilie, die Sonntagsfamilie, Besuchsfamilie. Die, bei der er sich wohlfühlte. Die für ihn wie Urlaub war von seinem Leben daheim. Und zu den Geburtstagen mussten sich alle herausputzen, und sie fuhren zu seiner Geliebten, die dann schon das zweite Kind hatte, und die Kinder spielten gemeinsam, während die Erwachsenen verkrampft am Kaffeetisch saßen und die bucklige Verwandtschaft der Anderen Amelie mit Blicken tötete, weil sie dem Familienglück der Tochter, Nichte, Schwester, Enkelin im Weg stand, weil Michael sie ja nicht verlassen konnte, wegen der Kinder. So ein pflichtbewusster Mann, der Michael, nur leider mit der

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