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Der vergessene Strand

Der vergessene Strand

Titel: Der vergessene Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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falschen Frau verheiratet.
    Das war der Moment, in dem ihr wieder schlecht wurde, und Amelie stürzte ins Bad und übergab sich.
    Und als sie dort vor der Kloschüssel kniete, begriff sie endlich, was mit ihr los war.
    Und warum ihr alle in Pembroke Ingwerkekse anboten.
    Sie wusste einen Moment nicht, ob sie lachen oder weinen sollte, und entschied sich für beides.
     
    Es gab sicher erhebendere Momente, in denen man erkannte, dass das eigene Leben vollends auf den Kopf gestellt worden war. Vor einer Kloschüssel kniend, war nicht unbedingt die schönste Situation, aber Amelie war in diesem Moment so glücklich und traurig zugleich, dass sie darüber hinwegsehen konnte.
    Sie legte die Hand auf den flachen Bauch. Beschützend, als könnte sie so Kontakt zu dem kleinen Wesen aufnehmen, das in ihr heranwuchs. Heimlich hatte es sich in ihr eingenistet, ausgerechnet jetzt, als wollte es gleich zu Anfang deutlich machen, wer die Herrschaft über ihr Leben hatte. Dieses Wesen hatte ein Leuchtfeuer aus Symptomen abgefackelt, bis seine begriffsstutzige Mutter endlich kapierte, dass es da war.
    Dabei konnte sie sich gar nicht darüber ärgern. Wieso auch? Bisher hatte sie immer gedacht, das sei eben Teil der Ordnung, dass Frauen irgendwann Kinder bekamen. Sie war eine moderne, aufgeklärte Frau, die wusste, wie das mit der Verhütung funktionierte. Aber mit Michael war es eben – bis zu jenem Punkt vor ein paar Monaten – perfekt gewesen. Darum war es nach ihrer Promotion, mit knapp 33 , genau der richtige Zeitpunkt gewesen. Dem Ticken der biologischen Uhr zuvorzukommen. Und jetzt spürte sie, dass sie sich ein Kind gewünscht hatte. Wirklich ersehnt.
    «Du Scheißkerl», murmelte sie. Amelie stand auf, spülte sich den Mund aus, putzte die Zähne und wankte zurück ins Zimmer. Sie war schrecklich müde, aber an Schlaf war gerade nicht zu denken.
    Minutenlang wog sie das Handy in der Hand, ehe sie seine Nummer wählte.
    Und sofort wieder auflegte, sobald das Freizeichen erklang.
    Wenn sie ihn jetzt anrief, schaffte sie damit weder die andere Frau noch das andere Kind aus der Welt.
    Ihre Mutter hatte sie allein großgezogen, von ihrem Vater hatte Amelie kaum etwas gewusst. Das war bestimmt nicht leicht gewesen. Vor dreißig Jahren noch viel weniger als heute. Trotzdem hatte ihre Mutter es geschafft, und auch wenn es vieles gab, weswegen Amelie ihr insgeheim grollte, gehörte ihre Kindheit nicht dazu.
    In diesem Moment schepperte ihr Handy los, und sie hätte es vor Schreck fast fallen gelassen. Sie starrte auf das Display. Natürlich, Michael. Vermutlich hatte er ihren Anruf gesehen und geglaubt, sie käme endlich zu ihm zurückgekrochen.
    Mit wenigen Handgriffen drückte sie ihn erst weg und schaltete dann das Handy aus. Genug davon. Sie musste erst klarsehen, bevor sie auch nur einen Gedanken daran verschwenden durfte, eine Entscheidung zu treffen.
    Und so müde, wie sie war, ging das sowieso nicht. Sie gähnte herzhaft, rollte sich auf dem Bett ein und zog die Bettdecke einfach bis zur Nasenspitze hoch.
    Obwohl sie todmüde war, rasten ihre Gedanken und kreisten, bis sie drohte, in diesem Strudel zu ertrinken. Sie setzte sich entschlossen auf. So ging das nicht weiter! Ohne Zögern griff sie zum Handy. Einschalten, Michaels Nummer wählen, tief durchatmen. Dem Tuten lauschen und in der Dunkelheit die Augen schließen.
    «Geh nicht ran, geh nicht ran …», flüsterte sie. Dabei wünschte sie sich das Gegenteil.
    «Am!» Er klang atemlos, als sei er eine weite Strecke gerannt.
    «Hallo, Michael.»
    «Warte, ich …» Ein Rascheln, eine weibliche Stimme im Hintergrund, fragend. Dann hörte sie eine Tür klappen, seine Schritte. Eine Treppe hinauf, noch eine Tür.
    Sie stellte sich vor, wie er mit
ihr
zu Hause im Wohnzimmer gesessen hatte. Wie er aufgestanden war, nach oben gegangen. In sein Arbeitszimmer unterm Dach.
    «Ist sie schon bei dir eingezogen?», fragte sie, weil ihr sein Schweigen und Schnaufen zu lang wurden.
    «Amelie, bitte.» Klang er wirklich verzweifelt, oder war das ihre Einbildung, weil sie wollte, dass er verzweifelt war?
    «Ich meine ja nur. Ist doch schön, wenn das Bett nicht kalt wird. Fliegender Wechsel und so.»
    Er atmete tief durch. Dass er so laut atmen konnte, war ihr noch nie aufgefallen. «Hast du nur angerufen, um mich zu beschimpfen? Nur zu; verdient habe ich es wohl.»
    Das nahm ihr den Wind aus den Segeln, und sie schwieg betreten.
    «Geht es dir gut, Amelie? Ich hab mir Sorgen

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