Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der vergessene Strand

Der vergessene Strand

Titel: Der vergessene Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
Vom Netzwerk:
Flämmchen nur, aber sie begriff in diesem Augenblick etwas.
    «Mama.» Sie stand auf, trat ans Bett und nahm die Hand ihrer Mutter. «Du siehst schon viel besser aus.»
    Es stimmte: die rosige Gesichtsfarbe, die hübsch frisierten Haare – ihre Mutter sah aus, als habe sie sich gerade für den Besuch hergerichtet. Nicht wie eine Frau, die nach einem schweren Herzanfall langsam wieder zu Kräften kam. Die zahllose Untersuchungen über sich hatte ergehen lassen müssen und davon schrecklich müde war.
    «Es geht mir auch schon viel besser», zwitscherte sie fröhlich. «Unglaublich, was die Medizin heutzutage alles kann. Du hingegen bist etwas blass um die Nase. Geht es dir nicht gut?»
    Amelie zog die Hand zurück, die sie nach ihrer Mutter ausgestreckt hatte. Sie schaute auf ihre Schuhspitzen. «Ist wohl die Schwangerschaft», log sie.
    «Du überanstrengst dich auch nicht? Schau, wenn du schon hier bist, könntest du gleich selbst vorstellig werden, in deinem Zustand. Oder warst du in Wales bei einem Arzt?»
    Wie sie Wales sagte, ließ Amelie aufhorchen, aber sie hatte keine Kraft, sich gegen ihre Mutter aufzulehnen. Im Zweifel war Susel nämlich die Stärkere, und das wussten sie beide.
    «Ich kümmere mich darum», versicherte Michael ihrer Mutter.
    Darüber, was genau sie nun hatte, wollte Amelies Mutter nicht reden. Es werde ihr schon bald besser gehen, versicherte sie. Kein Grund zur Panik, aber es sei gut, dass Amelie jetzt hier sei, es gäbe ja auch einiges zu besprechen.
    «Was gibt es denn zu besprechen?», fragte Amelie.
    «Na, die Hochzeit?» Ihre Mutter zwinkerte Michael zu. Amelie drehte sich zu ihm um. Er wich ihrem Blick aus, und sie hatte das Gefühl, dass hier irgendwas vor ihr verheimlicht wurde. Dass sie nicht alles wusste.
    Sobald sie das Krankenzimmer verlassen hatten, fragte sie ihn.
    «Hatte dieser Blick gerade irgendwas zu bedeuten?» Noch immer war sie ganz zittrig von der Aufregung. Und der Panikattacke. Den Fetzen aus ihrer Erinnerung. Aber jetzt musste sie einen klaren Kopf behalten.
    «Welcher Blick?»
    «Ihr habt euch angesehen, als ob … heckt ihr da was aus?» Besser konnte sie es gerade nicht in Worte fassen.
    «Aber nein. Bitte, Am. Du hast dich sehr aufgeregt in den letzten vierundzwanzig Stunden, tut mir leid. Wird das Beste sein, wenn du jetzt zur Ruhe kommst und dich ausschläfst. Du siehst müde aus», fügte er hinzu.
    «Ich bin müde», gestand sie. Nicht, weil sie zu wenig Schlaf bekommen hatte, sondern vielmehr, weil sie zu viel Zeit zum Nachdenken gehabt hatte.
    «Komm, wir fahren nach Hause.»
    Amelie wollte dieses Krankenhaus möglichst schnell verlassen, denn sie fühlte sich hier beklommen. Aber jetzt blieb sie stehen. Michael war bereits aus dem Fahrstuhl getreten und steuerte den Ausgang an.
    «Was ist?» Er drehte sich um.
    Sie folgte ihm langsam und blieb mitten im Eingangsbereich stehen. Krankenschwestern, Besucher und Ärzte fluteten um sie herum wie Brandung um einen Fels. Leider fühlte sie sich gar nicht so.
    «Nach Hause? Wo ist das?» Sie wusste, die Frage klang blöd. Ihr Zuhause war die große Villa im Wunschgarten, ihre Heimat war das Zimmer, in dem sie am Buch geschrieben hatte. Ihre Zuflucht waren die Küche, das Schlafzimmer, die Bäder und all die anderen Zimmer, denen sie noch keine Funktion zugewiesen hatten, von denen aber zumindest eines bald Kinderzimmer werden sollte.
    «Bei mir.» Michael kam zu ihr, blieb stehen und sah sie an. Prüfend. Er nahm nicht ihren Arm, versuchte auch nicht, sie mit sich zu ziehen, sondern ließ ihr Luft zum Atmen und Platz, die richtige Entscheidung zu treffen. «Oder möchtest du lieber woandershin? Ich kann dich in ein Hotel bringen, wenn dir das lieber ist.»
    So viel Verständnis, so viel Zärtlichkeit. Sie brach unvermittelt in Tränen aus.
    Jetzt nahm er doch ihre Hand, führte sie aus dem Gebäude und etwas abseits im Garten zu einer Bank. Zwei Bänke weiter saß eine alte Frau im Bademantel, die Sauerstofflasche neben sich, und zog an einer Zigarette, hastig und ohne rechten Genuss.
    Michael reichte Amelie ein Päckchen Taschentücher und ließ sie weinen. Seine Hand streichelte beruhigend ihren Rücken. «Du könntest auch in die Wohnung deiner Mutter fahren», schlug er vor. «Ich hätte dich aber lieber bei mir.»
    Auf die Idee war sie noch gar nicht gekommen. In der Wohnung ihrer Mutter würde sie in den Schränken und Regalen vielleicht Hinweise auf ihre Vergangenheit finden.
    Aber es wäre nicht

Weitere Kostenlose Bücher