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Der vergessene Strand

Der vergessene Strand

Titel: Der vergessene Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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lange Jahre vermeiden können, ohne überhaupt zu wissen, dass sie es vermeiden wollte.
    Und jetzt stand sie vor dem Seiteneingang der Charité, in die man ihre Mutter in der Nacht noch verlegt hatte, weil sich ihr Zustand bedrohlich verschlechtert hatte. Das wusste sie von Michael, der in den letzten Stunden unermüdlich am Telefon gehangen hatte, um sie auf dem Laufenden zu halten, seit sie am frühen Nachmittag völlig übernächtigt und zittrig aus dem Flieger gestiegen war. Der Flug hatte ihre letzten Geldreserven aufgebraucht.
    Michael nahm sie in Tegel in Empfang, und unterwegs erzählte er ihr, was er von einer jungen Ärztin erfahren hatte. Ihre Mutter hatte eine schwere Herzattacke gehabt – keinen Herzinfarkt, keinen Schlaganfall, eine Attacke. Nur. Wobei die Attacke wohl erstaunlich heftig war, und am Morgen hätten einige Untersuchungen stattgefunden, die Ergebnisse lägen aber noch nicht vor. Im Moment sei ihre Mutter stabil und schlafe viel. Medikamente hielten sie ruhig.
    Amelie fragte lieber nicht, woher Michael das alles wusste. Vermutlich hatte er gelogen und sich als ihr Ehemann ausgegeben. Sei’s drum, dachte sie. Immerhin musste sie sich so nicht mehr zu Tode ängstigen, denn, das hatte die Ärztin Michael versichert, es sehe sehr gut aus für Amelies Mutter.
    Jetzt stand sie vor dem großen Gebäude und konnte nicht weiter. Hinter jedem Fenster lauerten Leidensgeschichten, hinter manchem sogar der Tod. Unmöglich, da auch nur einen Schritt zu tun.
    «Komm, Am.» Sanft schob Michael sie vorwärts. Seine Hand ruhte in ihrem Kreuz, und daran hielt sie sich innerlich fest. Als ob sie eine Marionette wäre, bei der ein Puppenspieler die Fäden zog. So hölzern bewegte sie sich, dass sie verwunderte Blicke trafen, als sie den Eingangsbereich durchquerten und den Fahrstuhl ansteuerten.
    Die Kardiologie war riesig, ein Moloch im Moloch. Schwestern eilten auf quietschenden Gummisohlen von einem Zimmer zum nächsten, hinter einer Tür plärrte ein Fernseher. Bei jedem Geräusch zuckte Amelie zusammen. Michael nickte zu dem Desinfektionsspender direkt neben dem Fahrstuhl. Gehorsam trat sie hin. Die kühle Flüssigkeit benetzte ihre Finger, und sie verteilte sie gründlich. Der Gestank des Mittels war unerträglich. Fast wäre es schon an diesem Punkt mit ihrer Selbstbeherrschung vorbei gewesen. Aber sie zwang sich, weiterzugehen. Nur noch einen Schritt, und dann war da die Tür zu einem Zimmer. Die Nummer verschwamm vor ihrem Blick, die breite Tür ging auf, und dahinter standen zwei Betten. In einem lag ihre Mutter.
     
     
    Sie blieb in der Tür stehen, keiner drängte sie. Mamas Gesicht war eingefallen und blass, beinahe blutleer, und ihre Hände fuhren unruhig über die Bettdecke. Die Sonne fiel schräg durch die Lamellen der Jalousie, es war später Abend.
    «Sie schläft jetzt», sagte jemand hinter ihr, und als sie sich umdrehte, lächelte Grandpa. Begütigend. Beruhigend. Als wollte er Amy versprechen, dass alles wieder gut würde. Aber sie wussten beide, dass nichts mehr so sein würde wie vorher, und das tat so sehr weh, dass Amys Herz ganz hart wurde von so viel Schmerz.
    «Amelie?»
    Sie hörte einen tierischen Laut, ein Stöhnen. War sie das selbst gewesen? Sie suchte Halt an der Wand, ihre Knie wurden weich. Jemand packte ihren Arm und hielt sie fest, sonst wäre sie in diesem Moment vielleicht gestürzt. Vom Bett hörte sie die Stimme ihrer Mutter.
    «Herrje, Kind! Michael, pass doch auf, sie fällt hin!»
    Kurz verschwamm alles vor Amelies Augen. Dann schob Michael sie auf einen Besucherstuhl und drückte sanft ihren Kopf zwischen die Knie, damit das Blut hineinströmen konnte. Amelie hörte ihren eigenen Atem, schwer und keuchend. Ihr Herz hämmerte bis zum Hals.
    Eine Panikattacke, dachte sie erstaunt. So fühlt sich das also an.
    «Hol ihr ein Glas Wasser.»
    Schritte. Wasser, das in ein Glas lief. Michael, der sich vor sie hockte und ihr das nasse Glas gab. «Geht es wieder?» Besorgt nahm er ihre rechte Hand, drückte das Glas in ihre Finger. Sie nickte, dankbar, weil sie etwas zu tun hatte. Sie trank ein paar kleine Schlucke und blickte dann auf.
    Sie saß am Fußende des Bettes, in dem ihre Mutter lag. Das Kopfteil war fast senkrecht gestellt, und zu dem weißen, schicken Nachthemd trug Mama ein Bettjäckchen aus flaschengrüner Mohairwolle mit Rüschen. Dass sie es noch geschafft hatte, das ins Klinikköfferchen zu stopfen …
    Amelie ging ein Licht auf. Ganz winzig, ein zartes

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