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Der vergessene Strand

Der vergessene Strand

Titel: Der vergessene Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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recht. Sie wollte alles erfahren, keine Frage – aber ihre Mutter sollte es ihr erzählen.
    Vielleicht brauchten sie beide dafür noch etwas mehr Zeit.
    «Ich komm mit nach Hause», beschloss sie, und Michael strahlte sie an, als hätte sie gerade verkündet, dass die Krise vorbei wäre, dass sie heimkehrte, ihn heiratete und alles gut würde.
     
    Dan hatte sich um alles gekümmert.
    Er hatte den Flug gebucht, einen Zug herausgesucht und wieder verworfen. Hatte Butterbrote geschmiert, zwei Thermoskannen Tee gekocht, Amelie beim Packen geholfen und schließlich einen Kollegen angerufen, der ihn an diesem Montag in der Apotheke vertreten würde. Um kurz nach sechs waren sie nach Heathrow aufgebrochen.
    Er fragte nicht, ob er Amelie begleiten solle. Er behauptete nicht, alles werde schon wieder in Ordnung kommen. Nur manchmal, wenn sie auf der fast leergefegten Landstraße gen Osten brausten, nahm er die Hand vom Schaltknüppel, suchte die ihre und hielt sie, während Amelie die Augen schloss, den Kopf von ihm abwandte und versuchte, etwas Schlaf nachzuholen.
    Die Geborgenheit, die sie bei ihm gefunden hatte, stellte keine Fragen, gab aber auch keine Antworten. Als sie sich am Flughafen verabschiedeten, gab er ihr seine Handynummer. Sie umarmten sich, und sie vergrub die Nase an seiner Schulter, nahm seinen Duft in sich auf und versuchte, ihn nicht zu vergessen.
    Er hatte nicht mal gefragt, ob sie wiederkäme. Er forderte nicht, er ließ sie einfach ziehen. Sollte sie irgendwann das Bedürfnis verspüren, wieder zu ihm zu fahren, wäre er dort, wo er immer war. Selbst wenn Monate vergehen sollten, ehe sie nach Pembroke zurückkehren konnte.
    Das Haus – ihr Heim – war fremd und so vertraut. Als sie am frühen Abend in die Einfahrt fuhren, hing der Geruch nach Grillanzünder, Kohle und gebratenem Fleisch in der Luft. Aus den angrenzenden Gärten klangen Gelächter und das Kreischen der Kinder. Eine Schaukel quietschte, wie sie schon letzten Sommer gequietscht hatte.
    «Willkommen daheim.» Er lächelte verlegen.
    Das Haus war sauber und aufgeräumt. Die ordnende Hand einer Frau – einer
anderen
Frau –, die das offenbar viel besser zustande bekam, als Amelie es konnte. «Ich hab uns eine Putzfrau gesucht», sagte er. «Das ist für dich bestimmt auch eine Entlastung.»
    Sie nickte und durchschritt die einzelnen Räume. Küche, Wohnzimmer, Bibliothek. Ihr Arbeitszimmer. Die Tür war geschlossen, als wäre dieser Raum für Besucher tabu.
    Michael brachte das Gepäck nach oben. Ob sie essen wolle, fragte er, und sie nickte, ja. Hunger hatte sie, und selbst wenn nicht, wäre es vernünftig, etwas zu essen, und sei es nur eine Kleinigkeit. Ihr Körper reagierte empfindlich, wenn sie Mahlzeiten ausfallen ließ.
    Während Michael oben war, schrieb sie auf dem Handy eine Textnachricht an Dan.
    Bin gut angekommen.
    Keine Minute später blinkte auf Englisch seine Antwort auf:
War das deutsch für ‹Du bist angekommen›? Gut? Alles in Ordnung?
    Sie lachte etwas verunsichert. Es dauerte nur wenige Stunden, die eine Sprache zu verlieren und sich wieder ganz in der anderen zu Hause zu fühlen.
    Inzwischen wusste sie immerhin, warum ihr die englische Sprache zuflog.
    Nichts in Ordnung.
Sie löschte den Satz. Stattdessen schrieb sie:
Es ist kompliziert.
    Wenn du mich brauchst, komme ich. Sag einfach Bescheid.
    Er fragte nicht, er verlangte nichts. Er bot ihr an, was auch immer sie brauchte, und mehr als das. War nicht beleidigt, wenn sie es allein schaffen wollte. Sie hatte abgewiegelt, als Dan anbot, sie zu begleiten. Das wollte sie von ihm nicht verlangen, und es wäre auch nicht der rechte Moment. Was sie hatten, war …
    Ja. Auch kompliziert.
    Aber was hatten sie überhaupt? War das eine Affäre? Eine innige Freundschaft? War es mehr? Oder einfach nur ihre kleine Rache an Michael, von der er nie etwas zu erfahren brauchte? Band sie sich emotional an Dan, weil es im Moment einfacher war, für einen faktisch Fremden etwas zu empfinden statt für den Mann, der sie so bitter enttäuscht hatte?
    «Alles okay?» Michael polterte die Treppe herunter, er war gut gelaunt. Kein Wunder: Sie war wieder hier, stand auf den Schachbrettfliesen im großen Flur, klammerte sich an das Smartphone wie eine Ertrinkende. «Du bist ein bisschen blass. Ist aber vermutlich nichts, das sich mit einem ordentlichen Butterbrot nicht wieder in Ordnung bringen ließe, oder?»
    Er hatte frisches Bauernbrot, Salzbutter, guten Käse, Radieschen und

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