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Der vergessene Tempel

Der vergessene Tempel

Titel: Der vergessene Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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Stelle, wo Marina lag, und zerrte die Decken von dem Schild herunter. Seitlich an der Wand lehnend, war er vor dem Schutthagel der Explosion verhältnismäßig geschützt gewesen. Grant drehte ihn herum. Der Lederriemen, sofern es einen gegeben hatte, war längst verrottet, doch aus der Rückseite des Schildes ragten zwei Messingringe. Er schob den Arm hindurch und versuchte den Schild anzuheben.
    Das Gewicht war enorm. Grant fragte sich, wie es möglich war, dass jemals ein Mann damit in die Schlacht gezogen war und gleichzeitig noch ein Schwert oder eine Lanze geführt hatte. Vielleicht hatte Achilles seinen Ruf ja tatsächlich verdient. Sich einen Bruch zu heben war immer noch besser, als sich erschießen zu lassen. Grant ging zurück zum Eingang, stützte den Schild mit dem Oberschenkel ab und blickte noch einmal prüfend nach draußen. Immer noch war nichts als Rauch und Staub zu sehen. Er trat vorsichtig durch das Tor und begann über den Schutt hinaufzuklettern. Es war ein mühseliger Aufstieg, und er kam nur langsam voran, immer darauf bedacht, den Schild vor sich zu halten, während er sich durch die Trümmer vorarbeitete. Die Felsbrocken wurden größer, die Spalten dazwischen breiter. Aber wenigstens lichtete sich der Staub allmählich, und es wurde heller. Grant kletterte die letzte Steigung hinauf, wobei seine Füße immer wieder auf dem nassen Stein abglitten, und stolperte ins Licht hinaus.
    Das Erste, was er sah, waren die Leichen. Ob es eine verirrte Kugel gewesen war oder ob die Russen die Nerven verloren hatten, als sie sahen, dass Belzig zu fliehen versuchte – die Sprengladungen mussten zu früh explodiert sein. Zwei russische Soldaten lagen ausgestreckt am Boden wie weggeworfene Spielzeuge, leblos und blutig. Staub sammelte sich in den Falten ihrer zerfetzten Uniformen.
    Grant hörte ein Geräusch hinter sich. Er fuhr herum und hob den Schild, um seine Brust zu schützen. Das rettete ihm das Leben. Der Schild zitterte unter dem Aufprall so heftig, dass sich das Beben auf Grants Körper übertrug; aus der Patina aus Schmutz und Korrosion wurden Bröckchen herausgeschlagen, sodass darunter Gold und Bronze zum Vorschein kamen. Doch der Schild hielt.
    Grant spähte vorsichtig über den Rand. Ein paar Meter entfernt, neben einer der monolithischen Statuen, stand Kurchosow. Die Explosion musste auch ihn überrascht haben: Seine Uniform war zerrissen, sein Gesicht schmutzig und blutverschmiert. Er hatte seine Augenklappe verloren, sodass die Narbe darunter zu sehen war: wulstig zusammengezogene Haut, die sich an der Stelle zu einem Knoten verdickte, an der das Auge hätte sein sollen. Er wirkte benommen.
    Grant hob den Webley und schoss auf Kurchosows gesundes Auge. Die Patrone Kaliber .455 traf genau ins Ziel. Später hätte Grant geschworen, er habe für einen Sekundenbruchteil das Zischen des heißen Bleis hören können, als es in den Augapfel eindrang. Im nächsten Moment spritzte Blut aus der Augenhöhle, und von den umgebenden Felswänden hallte ein schauriger Aufschrei wider. Grant schoss noch zwei weitere Male, und der Schrei verstummte.
    Hinter der Leiche, am Fuß der Statue, bewegte sich etwas. Grant blickte auf und sah gerade noch einen Schatten dahinter verschwinden. Muir. Er kauerte sich hinter den Schild, froh, seine Last auf dem Boden abstützen zu können. Dann richtete er den Webley auf die Säule, zielte mal auf die rechte, mal auf die linke Seite und wartete ab, auf welcher Muir wieder zum Vorschein kommen würde.
    «Geben Sie auf», rief er. Nach all dem Getöse klang seine Stimme in der dunstigen Stille seltsam dünn. «Kurchosow ist tot.»
    Keine Reaktion. Grant zog den linken Arm aus den Ringen des Schildes. Er lehnte ihn an sein Knie, hob einen kleinen Stein auf und warf ihn in Richtung der Säule. Der Stein rollte ein Stück weit über den Schutt und blieb am Fuß der Statue liegen. Noch immer keine Reaktion.
    «Muir?»
    Hinter ihm auf dem Stein scharrte etwas. Er fuhr herum; der Schild geriet aus dem Gleichgewicht und fiel mit einem metallischen Dröhnen auf den Boden. Grant hob den Webley – und hielt sich gerade noch rechtzeitig zurück. Es war Jackson. Allerdings nicht der Jackson, der mit seinen weißen Tennisschuhen in das Hotel in Athen spaziert war, nur Pomade und Sonnenschein. Jetzt war sein Haar wirr, seine Kleidung zerrissen und sein Gesicht unter dem Blut und den Schrammen gespenstisch weiß. Er kletterte aus dem Graben und starrte dumpf auf die Waffe, die auf

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