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Der vergessene Tempel

Der vergessene Tempel

Titel: Der vergessene Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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doppelt so viele Probleme ein.» Molho lehnte sich in die Nische zurück. «Wissen Sie, Mr.   Grant, Sie sind nicht der Erste, der zu mir kommt und mich nach einem Tontäfelchen fragt. Kurz nach Beginn der Besatzung kam ein Deutscher in meinen Laden. Ein Dr.   Klaus Belzig.» Seine Augen wurden schmal. «Sie scheinen den Mann zu kennen?»
    «Nicht persönlich. Aber Sie haben ihm gesagt, dass Pemberton die Tontafel gekauft hatte.»
    «Dr.   Belzig nahm fälschlicherweise an, die Tafel sei unversehrt. Ich habe ihn nicht aufgeklärt – weshalb sollte ich auch? Er hat mich gefragt, was aus dem Stück geworden sei; ich sagte ihm, dass ich es an einen britischen Archäologen verkauft habe, der auf Kreta arbeitet. Ich habe ihm sogar einen Durchschlag der Quittung gezeigt.»
    «Und daraufhin hat sich Belzig auf den Weg nach Kreta gemacht. Aber Pemberton war bereits tot.»
    «Das war Pech für Dr.   Belzig. Und wahrscheinlich Glück für Mr.   Pemberton. Dr.   Belzigs Methoden waren … berüchtigt.» Molho hob seinen linken Arm, der bisher unter dem Tisch verborgen gewesen war. Marina schnappte entsetzt nach Luft. Die gestärkte Manschette des weißen Hemdes war mit einem goldenen Manschettenknopf verschlossen – doch daraus ragte keine Hand. Molho zog den Ärmel ein wenig zurück, um ihnen den Stumpf zu zeigen, einen gerundeten Stummel mit wulstigen Narben rundum.
    Selbst Grant wurde bleich. «Das hat Belzig getan?»
    «Ich war nur ein Jude.» Molho lachte bitter. «Er hat zu mir gesagt, ich hätte mehr Glück als der Mann, der ihm die Schrifttafel gestohlen hatte. Er hat mir eine Hand genommen – und ich habe ihm einen Namen gegeben. Ich wusste, dass Pemberton Engländer war. Ich wusste zwar nicht, dass er tot war, aber ich nahm an, er habe Griechenland inzwischen verlassen und sei in Sicherheit. Also dachte ich mir, Belzig würde nie erfahren, dass ich Pemberton nur die Hälfte der Tafel verkauft hatte, weil er diese Hälfte niemals finden würde.»
    «Lieber Himmel.»
    Molho zog den Ärmel wieder über den Stumpf. «Womöglich hat Belzig mir sogar einen Gefallen getan. Bis dahin kannte ich nur die Gerüchte, die unter uns Juden kursierten. Jemand hatte einen Onkel in Deutschland oder einen Cousin, dessen Freundin in Warschau lebte. Aber niemand hat wirklich geglaubt, was da erzählt wurde – wie hätte man so etwas glauben können? Nun, durch meine Begegnung mit Belzig habe ich am eigenen Leib erfahren, wozu die Deutschen fähig waren. Also bin ich untergetaucht.»
    Gerade hatte die Sängerin ihr Lied beendet, und Applaus erfüllte den verräucherten Raum. Sie stieg von der Bühne, ließ sich in einer der Sitznischen nieder und zog gierig an der Pfeife, die jemand ihr anbot. An ihrer Stelle trat jetzt ein Mann auf die Bühne, eine schmächtige, geckenhafte Gestalt. Sein schwarzes Haar war mit Pomade glatt an den Kopf gekämmt, und mit seinem schmalen Schnurrbart sah er beinahe wie ein Nazi aus. Grant fragte sich, ob eine ironische Absicht dahintersteckte.
    Der Sänger stand steif vor der Band. Der Bouzoukispieler begann ein schnelles, improvisiertes Solo, wobei seine Finger nur so über das Griffbrett flogen. Grant beugte sich vor. «Und die zweite Hälfte der Tontafel? Was ist daraus geworden?»
    Molho hielt seinem Blick stand. «Wie viel ist diese Information Ihnen wert? Werden Sie mir dafür auch noch die andere Hand abschlagen?»
    Ein schrilles Aufheulen brachte für einen Moment alle Gespräche zum Verstummen. Oben auf der Bühne klammerte sich der Sänger an den Mikrophonständer wie ein Ertrinkender. Sein Körper wand sich darum; es war kaum zu glauben, dass ein so schmächtiger Mann fähig war, einen derartigen Laut hervorzubringen. Die Stimme vibrierte und wurde dann schriller.
    Grant verzog keine Miene. «Ich frage nur. Aber es sind noch andere Männer hinter der Tafel her. Männer wie Belzig. Wenn die Sie finden …»
    Molho leerte sein Glas. «Ist das ein Versuch, mich einzuschüchtern, Mr.   Grant?»
    «Das ist nur eine faire Warnung.»
    «Ich glaube Ihnen. Aber Sie müssen verstehen, ich bin Geschäftsmann. Wenn jemand in meinen Laden kommt und mir für etwas – sagen wir, für ein Tontäfelchen – hundert Drachmen bietet, dann frage ich mich, ob er auch bereit wäre, zweihundert zu zahlen. Oder ob es jemand anderen gibt, der dreihundert zahlen würde. Und allmählich wüsste ich auch gern, was es damit eigentlich auf sich hat. Ich habe Sie bisher nicht gefragt, warum Sie diese Tontafel haben

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