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Der vergessene Tempel

Der vergessene Tempel

Titel: Der vergessene Tempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Harper
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Reed hob die Tasche auf, die neben seinem Stuhl am Boden lag, und zog die Tafel heraus, die immer noch in die Serviette gehüllt war, in die er sie am Vorabend eingewickelt hatte. «Fangen wir mit dem an, was wir wissen. Ihrem Schweinehirten zufolge hat Belzig die Tafel in intaktem Zustand gefunden. Dann hat einer seiner Arbeiter sie gestohlen, und sie gelangte irgendwie zu einem Händler in Athen. Als Pemberton sie in dem Laden fand, waren aus der einen Tafel zwei Bruchstücke geworden. Die Tafel ist also irgendwann entzweigebrochen. Oder, noch wahrscheinlicher, jemand hat erkannt, dass die Tafel in zwei Teilen mehr Geld einbringen würde als in einem.»
    «Und, was wurde aus der anderen Hälfte?»
    Reed legte das Foto direkt neben die Tafel auf den Tisch. «Fällt Ihnen irgendetwas auf?»
    Grant, Jackson, Marina und Muir beugten folgsam die Köpfe vor. Das Foto war so verschwommen, dass sich kaum Einzelheiten erkennen ließen.
    «Es handelt sich nicht um dasselbe Stück.» Reed ließ die Tragweite seiner Worte kurz wirken. «Das Bruchstück auf dem Foto ist nicht mit dem Stück identisch, das wir in dem Heiligtum auf Kreta gefunden haben.»
    «Wie ist es dann …?»
    «Beide Stücke müssen sich in dem Laden befunden haben. Das ist jetzt nur eine Vermutung, aber ich würde darauf tippen, dass Pembertons Geld nur für einen Teil reichte. Also hat er den anderen fotografiert.»
    «Wieso ist das bisher noch keinem aufgefallen?», fragte Jackson aufgebracht.
    Reed zuckte die Achseln. «Es ist ein miserables Foto. Aufgefallen ist mir das bloß, weil ich mich so eingehend mit den Schriftzeichen beschäftigt habe.»
    «Bravo.» Jackson und Marina sahen Reed ehrfürchtig an, als wäre er eine Art Zauberer; Muir dagegen schien völlig unbeeindruckt. «Es befanden sich also beide Teile der Tafel in dem Laden, wunderbar. Was uns aber nicht wesentlich weiterbringt, wenn der Inhaber eine Fahrt ohne Wiederkehr nach Auschwitz antreten musste, verdammt. Wer …»
    Er verstummte. Ein Kellner in weißer Jacke kam durch das Meer aus Tischen auf sie zugeglitten. Neben Grant neigte er sich hinab und murmelte ihm diskret etwas ins Ohr.
    Grant schob seinen Stuhl zurück. «Da verlangt mich offenbar jemand am Telefon zu sprechen.» Er folgte dem Kellner. Vier Blicke – argwöhnisch, neugierig, verwundert, feindselig – folgten ihm hinaus.
    Am Empfangstresen stöpselte die diensthabende junge Frau geschickt einen Stecker ins Schaltbrett und reichte ihm den Telefonhörer.
    «Mr.   Grant?» Die Stimme klang sanft, präzise, dehnte die unvertrauten Silben in die Länge.
    «Ja, Grant hier.»
    «Hören Sie mir zu. Vor Ihrem Hotel wartet ein Wagen. Ich gebe Ihnen den guten Rat, einzusteigen. Sie haben zwei Minuten.»
    «Wer zum Teufel sind Sie?», fragte Grant.
    «Jemand, den Sie gerne treffen würden. Als Zeichen meines guten Willens dürfen Sie eine Person mitbringen. Wenn es Sie beruhigt, können Sie auch ruhig Ihre Pistole einstecken, obwohl Sie die nicht brauchen werden. Zwei Minuten», wiederholte die Stimme. Dann klickte es, und die Verbindung war beendet.
    Grant winkte einen der Hotelpagen herüber und drückte ihm eine Drachme in die Hand. «Im Speisesaal, ein Tisch mit drei Herren und einer Dame. Richten Sie der Dame aus, sie möchte sofort herkommen.» Für Erklärungen hatte er keine Zeit, schon gar nicht für ein längeres Hin und Her mit Muir und Jackson.
    Eine Minute darauf tauchte Marina aus dem Speisesaal auf. Grant musterte sie wohlgefällig. Zum Abendessen hatte sie sich feingemacht – hochhackige Pumps, Nylonstrümpfe, Lippenstift, das volle Programm. Es passte nicht ganz zu ihr, entschied er im Stillen. Während manche Frauen in solcher Aufmachung etwas Unnahbares ausstrahlten, wirkte Marina eher verletzlicher, ein ernsthaftes Mädchen, das darum bemüht war, zu gefallen. Wobei sie aber auf jeden Fall hübsch genug aussah, um lange, sehnsüchtige Blicke von den Anzugträgern und Uniformierten in der Lobby auf sich zu ziehen.
    «Worum geht es?»
    Grant bot ihr eine Zigarette an, gab ihr Feuer und hakte sich dann bei ihr unter. «Das erkläre ich dir im Wagen.»
    «In was für einem Wagen?»
    Grant geleitete sie zum Ausgang, wobei er spürte, wie ihnen neugierige Blicke folgten. Der Türsteher öffnete ihnen schwungvoll die Tür, dann gingen sie die Hoteltreppe hinunter. In der Auffahrt, direkt neben einer Zierpalme, stand eine Limousine mit langgezogenem Kühler, schwarz glänzend im Laternenschein und mit leise

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