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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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Geschichte, die ihm eine seiner Muhmen vor langen Jahren erzählt hatte: Angeblich war Feenseide ein durch Zauberei gewirkter Stoff, der die Farbe seiner Umgebung annehmen konnte und der so gut wie ewig haltbar war. Kein Schmutz blieb an ihm haften, kein Messer vermochte ihn zu ritzen   – es sei denn eine Feenklinge –, kein Feuer vermochte ihn zu verbrennen   – es sei denn ein Feenfeuer. Natürlich gab es so etwas nicht, zumindest nicht außerhalb von Feengeschichten. Oder Fernengeschichten, wie die Vindländer sie nannten.
    »Glaubt Ihr das, Herr Hamblád?« Circendil steckte seine Hand in den Rucksack. »Dann glaubt Ihr wohl auch, dass dies hier nurdie Luft ist, die über die Zunge streicht, während sie ein Märchen zum Besten gibt!«
    Er holte die Hand wieder hervor, und alle, die etwas ganz und gar Außergewöhnliches erwartet hatten, wurden enttäuscht. Finn wusste selbst nicht, was er nach dieser Ankündigung erwartet hatte, als ein rechteckiges Bündel, eingeschlagen in mehrere leinene Lagen, zum Vorschein kam.
    Der Dir entfernte die Tücher, und als der Gegenstand darunter endlich enthüllt war, hob er ihn für alle sichtbar hoch. Ein kaum unterdrücktes Zischeln reihum war zu hören, wenn es nicht gar ein erstauntes Luftholen war, dem ein ersticktes Schweigen folgte.
    In Circendils Händen schimmerte ein Buch: Seltsam war es, schwer und groß und viele Seiten stark, und noch seltsamer war es anzusehen. Der Schein der Sonne brach sich auf seinem Rücken und glitzerte auf einem wunderschön verschnörkelten Riegelschloss. Finn sah es himmelblau auf dem Einband schimmern, durchdrungen von einem Grün, grüner als das frischeste Grün des Grases im Frühling. Buchstaben prangten darauf in einem goldumrahmten Purpur. Aber als der Davenamedhir das Buch auf den Tisch vor sich legte, verlor das Buch schlagartig alle Farbe. Zur allgemeinen Verwunderung wurde es vor aller Augen so weiß wie das Linnen, auf dem es lag. Allein die Buchstaben blieben, was sie waren; doch sie glänzten nicht länger purpurfarben, sondern verblassten zu einem matten Grau, kaum deutlicher als die Falten, die ein Tischtuch warf.
    »Das ist die lorc’hennië cromairénaë «, sagte Circendil in die atemlose Stille hinein. »Die Urschrift! Eingebunden in Fernenseide, und seine Seiten bestehen aus Fernenpapier. Obwohl wir Davena über so manches Wissen verfügen, vermögen weder wir noch irgendjemand sonst in Kolryns Weiten es den alten Meistern in jener Kunst gleichzutun: Solcherart Papier können wir nicht schöpfen, solcherart Seide können wir nicht wirken.
    Märchenstoff und Märchenstunde, sagt ihr? Ich entgegne euch: Wenn etwas erschaffen wurde, so gibt es keinen Zweifel daran,dass der Schöpfer vorhanden gewesen sein muss, um sein Werk zu vollbringen. Kommt her und schaut selbst. Unsere und auch eure Märchen haben einen wahren Kern! Hier ist er, hier unter meiner Hand! Nicht Sage, nicht Legende, nicht Dichtung   – ein echtes Werk der Féar, vor euer aller Augen liegend, und es ist kostbarer als Gold und Adamant, denn es ist mehr als eintausendvierhundert Jahre alt.«
    »Haltet ein!«, rief da Taddarig Sperler erschrocken aus und sprang wie von einer Hornisse gestochen von seiner Bank. »Niemand rührt mir das Buch an! Hände weg!, sage ich. Ja, seid ihr denn gescheit?«
    Er rannte auf seinen alten, krummen Beinen die Stuhlreihe der Würdenträger entlang und stürzte auf Circendil zu, schneller, als irgendwer sonst seine Überraschung überwinden konnte.
    »Ihr dürft es nicht den Händen dieser unvorsichtigen Narren überlassen! Du liebe Güte! Es könnte beschmutzt, beschädigt, am Ende gar zerrissen werden! Niemand rührt es mir an! Zurück! «, fuhr er die Ersten an, die neugierig näher traten. Ein paar zaghaft vorgestreckte Hände wurden zurückgenommen, ein Halbkreis von einander über die Schultern lugenden Vahits bildete sich um Circendils Platz. Irgendwer stützte sich auf Finns Schultern.
    »Wenn dieses Buch überhaupt jemand prüfen kann und darf, dann ist es der erfahrenste Staubner dieser Bücherey«, sagte Taddarig, im Inneren dieses Halbkreises stehend, ein wenig keuchend vor Anstrengung jetzt, aber geleitet von eisernem Willen. »Und   – nichts für Ungut, Wosto, mein alter Freund   – der Erfahrenste bin zufällig immer noch ich! Niemand nähert sich dem Buch.« Er wandte sich an den Bürgermeister: »Es sei denn, einer unserer Schöffen, natürlich!«
    »Natürlich«, rief Herr Wredian mit lauter

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