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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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dann von mir? Dies Ding willst du! Nichts weiter! Ich gebe es dir nicht. Mein Vater hielt es in seinen Händen statt der meinigen in seiner letzten Stunde. Er klammerte sich daran, solange er konnte. Kannst du das nicht sehen, Nórin? Wenn ich es berühre, kann ich noch seine Hände fühlen, über den Abgrund von Tod und Zeit hinweg. Gäbet ihr seinem Erbe eine Hinwendung, so nähmet ihr mir dieses letzte Band. Und eher mag Merunia versinken und Vazarenia vergehen, mögen Brethegorst und meinetwegen auch Throkzardum verbrennen, wie Nórinia es tat –   mir ist es gleich. Tut, was ihr wollt, aber lasst mich in Ruh’!‹
    Und Ferivóin presste die Gluda an sich und benetzte sie mit seinen Tränen. Am anderen Tage aber machte er sich auf nach …«
    Circendil brach ab und sah auf. »Ab dieser Stelle«, erklärte der Davenamönch und fuhr mit seinem Finger an den zerfetzten Seitenresten entlang, »ist die lorc’hennië cromairénaë schwer beschädigt, wie ihr hier deutlich sehen könnt. An die zwanzig Seiten fehlen, abgenagt von irgendwelchen Zähnen. Vielleicht wurden sie auch zersetzt von giftigen Säuren oder aufgeweicht von unsäglichem Schleim. Wie auch immer, die Seiten sind nicht mehr. Das Buch lässt uns ausgerechnet dort im Stich, wo höchstwahrscheinlich der Ort beschrieben wird, an den Ferivóin ging und wo er vermutlich die Gluda verwahrte.
    Und so sind wir denn endlich an dem Punkt angelangt, der mich zu euch geführt hat. Da habt ihr den Grund für meine Reise ins Hüggelland. Ich hoffte und hoffe immer noch, unter euren ältesten Büchern eines zu finden, das die fehlenden Seiten füllen oder zumindest ergänzen kann. Vielleicht ist eine Abschrift einer Abschrift von einem eurer Schreiber angefertigt worden, oder jemand hat irgendeinen Hinweis festgehalten, was danach mit jenem Ding geschehen war. Was tat Ferivóin mit der reinen Gilwe? In welche Hände ist Fárins Erbe gekommen? Wo befindet es sich heute? Und wie können wir in ihren Besitz gelangen? Das sind die entscheidenden Fragen.«
    Circendil beugte sich vor, und seine Augen verengten sich, bis sie nur noch ein schwaches, grünliches Glimmern waren, wie ein ferner Waldtümpel im Schatten von Bäumen. Er musterte stumm die Vahits, als könne er dadurch sicherstellen, dass sie die Bedeutung seiner Worte verstanden hatten.
    Finn, der wie Mellow schon auf dem Herritt von Rudenforst nach Mechellinde einen Teil der Geschichte vernommen hatte, schwindelte trotz allem der Kopf nach dem Gehörten. Und er war sich sicher, den anderen erging es nicht besser.
    Zu groß waren die Zeiträume, von denen hier die Rede war. Zu stark wirkten die Mächte, die schon seit Jahrtausenden miteinander im Streit lagen und einander belauerten. Zu groß und gleichzeitigzu fern erschien Finn alles, zu unwirklich und zu schrecklich. Vor allem konnte er es sich nicht vorstellen, dass er selbst und alle Vahits und alle Menschen Kolryns auf einmal darin verwickelt sein sollten.
    Dann aber schob sich das Bild der vergangenen Nacht vor seine Augen. Wieder blendete ihn der Blitz, mit dem Amuul erschienen war, und wieder sah Finn das Ding leuchten, das der Dunblúodur in seiner Hand hielt. Er wusste in der Tiefe seines Herzens: Er hatte eine der Tränen gesehen.
    Allein der Gedanke machte ihn kribbelig, und am liebsten wäre er von seinem Platz aufgesprungen, um irgendwo Schutz zu suchen. Finn schüttelte sich innerlich und kämpfte die Anwandlung nieder. Aber seine Fingerknöchel standen weiß hervor, und er bemerkte, wie er die Tischkante umklammert hielt.
    Schweigen lag über dem Innengarten der Bücherey, als habe ein gemeinsamer Traum die Anwesenden heimgesucht, aus dem sie nun erst nach und nach erwachten.
    Der Vahogathmáhir dachte lange nach, ehe er antwortete: »Ihr seid wahrlich einen weiten Weg gegangen, Herr Circendil, und auf schmalstem Pfade noch dazu. Ich weiß nicht, was mich mehr daran erstaunt: Eure Hoffnung oder Eure Narretei! Ist es ein Wahn, dem Ihr nachlauft? Oder glaubt Ihr ernsthaft an einen Erfolg? Selbstverständlich könnten wir in allen drei Büchereyen suchen lassen, aber ich fürchte   – nein, ich weiß es! –, es wird letztlich vergeblich sein. Zu lange Zeit ist verstrichen. Sagtet Ihr nicht, dieses Buch sei mehr als 1   400 Jahre alt, und das, wovon es berichtet, läge noch weiter zurück? Wenn Ihr nicht mehr zu bieten habt als diese dünnste aller Spuren, dann sehe ich schwarz für Euch und Euren wohlgemeinten Plan. Und selbst gesetzt den

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