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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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Circendils Worte von der überall anzutreffenden und fortwährenden Verzweigung eines jeden Dings klangen seit ihrem gestrigen Ritt in ihm nach; und er konnte seitdem keinen Baum mehr ansehen, ohne nicht die Bestätigung dieser Annahme gleichsam vor Augen zu finden. Insofern stimmte die Wirklichkeit mit Amans Zeichen   – dem   λ   – überein; und da dem so war, mochten auch die anderen von Circendil erwähnten Eigentümlichkeiten, Aman selbst und Yamun, seine Schöpfung, voll und ganz der Wahrheit entsprechen.
    Und so fragte sich Finn, ob Aman ihnen helfen, ob er sie retten würde. Ob er es wollte. Ja sogar, ob er es überhaupt konnte, verbesserte er sich. Denn welchen Sinn hatte es, etwas zu erschaffen, um es hernach wieder zu vernichten? Keinen, entschied Finn. Es sei denn, der Sinn bestand im Vernichten selbst. Es ist eine Prüfung, erkannte Finn in diesem hellsichtigen Augenblick. Aman erschafft und sieht dann zu, wer sich als stärker, wer sich als schwächer erweist. Es ist ihm gleichgültig, zu wessen Seite sich die Waage neigt. Wer am Ende obsiegt, hat die Prüfung bestanden. Darum wird Aman keinen Finger rühren, um uns Vahits oder um Kolryn zu helfen, dachte er, bis tief in sein Herz hinein erschüttert.
    Wir selber müssen es schaffen. Oder aber untergehen. Zumindest, so kam es ihm in den Sinn, würde aber auch Lukather keine Hilfe erfahren. Auch er wurde geprüft.
    Nur warum, fragte sich Finn ratlos, warum hat Aman dann auch uns erschaffen? Die Vahits, die schwächsten aller denkenden Wesen, aller Kogoin? Das ergibt keinen Sinn. Er kann sich doch denken, dass wir diese Prüfung gar nicht bestehen können. Aber er hat es trotzdem getan. Nur warum? Aus bösem Willen? Oder aus einem anderen Grund?
    Er erschafft und sieht zu, wiederholte er den eigenen Gedanken. Mithin hat er uns nur zu einem Zweck, allein aus einem Grunde erschaffen: um zusehen zu können, wie wir alles verlieren. Er willlernen. Er will erfahren. Er will erkennen, wie das ist, in einem aussichtslosen Kampf zu unterliegen und zu sterben.
    Für einen schwindelerregenden Moment fragte sich Finn schaudernd, ob Aman in Wahrheit nicht noch weitaus böser war, als es Lukather   – bei aller Bosheit   – auch nur im Entferntesten zu sein vermochte.

21 . KAPITEL
    Bei Abhros Schmiede
    U RANAM W EIDENMEIS, DER S VERUNMÁHIR des Hüggellandes, Wredian Gimpel, der Bürgermeister, und Ludowig Gurler, der Anweiser der Bücherey zu Mechellinde   – die drei Schöffen und damit die Vertreter der siebenköpfigen Hüggelland-Obrigkeit standen nach Circendils Erzählung vor unüberschaubaren Schwierigkeiten; einem Packen aus schwerwiegenden Entscheidungen und schier unlösbaren Verwicklungen, für deren Handhabung sie weder auf Erfahrungen noch auf Aufzeichnungen früherer Scepmáhin zurückgreifen konnten. Von einem Tag auf den anderen war nichts mehr so, wie sie oder ihre Vorväter es gekannt hatten. Finn vermochte sich kaum vorzustellen, wie es sich wohl anfühlen mochte, an diesem Tag in ihrer Haut zu stecken. Läge die Last der Verantwortung auf seinen Schultern, dachte er, so hätte sie ihn gewiss knietief in den Boden gedrückt.
    Die drei Vahits baten die übrigen um ein wenig Geduld.
    Sie traten beiseite, und Finn sah sie erregt aufeinander einredend vor dem Eingang zur Colpia stehen, wohin sie im Laufe ihrer Erörterung allmählich gekommen waren. Sie sprachen gedämpft miteinander, und es sah aus, als würde es dabei um ein zumeist von allen dreien empfundenes Dafür und ein ebenso klares Dagegen gehen. Entweder nickten sie einander zu oder bekräftigten ihre Ablehnung gewisser Punkte durch harte, abwehrende Armbewegungen. Aber sie streiten nicht, dachte Finn, sie suchen nur nach dem rechten Weg, und das meiste von dem, was sie sehen können, gefällt ihnen nicht oder erfüllt sie mit düsteren Ahnungen.
    »Du meine Güte, Circendil!«, meinte Mellow nach einigen Minuten, derweil auch die anderen Vahits am Tisch miteinander tuschelten. »Du hast sie jedenfalls ganz schön ins Schwitzen gebracht, so viel steht mal fest. Besonders deine letzte Bemerkung mit den brennenden Büchern und allem hat sie aufgescheucht. Das mochten sie ganz bestimmt nicht. Herr Ludowig am allerwenigsten. Darum reden sie sich jetzt die Köpfe heiß.«
    »Solange es nur ihr Schweiß ist, der vergossen wird«, gab Circendil leise zurück, »bin ich es zufrieden. Es könnte schon bald ihr eigenes Blut sein; und das unsrige dazu und das aller anderen. Ich nehme an,

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