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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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wenn sie in einen Hinterhalt geriete oder auch gefangen würde oder, noch entsetzlicher …?
    Er verdrängte mit aller Gewalt den Gedanken an das schreckliche Ende von Banavreds Frau.
    Er blinzelte mehrmals und starrte so lange in Tallias dunkle, seeblaue Augen, bis Anselmas Bild verblasste und er meinte, sich selbst winzig klein in Tallias Pupillen gespiegelt zu sehen. Sie wich seinem Blick nicht aus und lächelte ihn schüchtern an.
    »Wir Goldammers stammen eigentlich aus Vahindema«, hörte er sie weitersprechen, während Smod mit den Hufen scharrte. »Dort bin ich auch geboren. In Sichtweite der Hel. Irgendwann zog ein Bruder meines Großvaters nach Mechellinde, und ein Teil der Familie wurde hier heimisch. Ich selbst war bisher noch nie im Obergau, weißt du. Jetzt wohne ich seit Comvain, der Sommersondenwende, bei meinen Verwandten im Weberviertel. Es sind allesamt nette Leute. Ich habe bei ihnen erst erfahren, dass wir Goldammers zudem über sieben Ecken mit einer Familie Rohrammer verbandelt sind, und das hat mich neugierig gemacht.«
    »Ausgerechnet!«, entfuhr es Finn.
    Sie zog die Stirn kraus. Ihre Lippen bildeten ein erstauntes Oh. »Was meinst du?«
    Finn winkte ab. »Ach, nichts. Dummes Gerede. Also Ridibund Rohrammer und seine Frau Rana? Die gibt es allerdings. Sind sie das?«
    »Das sind sie. Frau Amagata hat mir für heute frei gegeben. Und sie hat mir erlaubt, nach Moorreet zu gehen. Sie hat mir sogar ihren Einspänner angeboten. Nur leider«, sie lachte mit ihrer hellen Stimme auf, »leider fehlt mir jetzt ein Pony dafür. Das ihrige hat ein geschwollenes Gelenk.«
    »Und ich habe nur ein Pony und keinen Wagen mehr«, stimmte Finn halbherzig in ihr Lachen mit ein, während er auf ihre Lippen starrte und dabei gequält dachte, nie, nie und nimmermals darf dir ein Leid geschehen!
    Er tastete unschlüssig an sich herab, suchte das Wacala und fand es nicht. Dann fiel es ihm ein. Den Gürtel mit dem Holzarbeitermesser hatte er neben seinem Rucksack liegen lassen. Heute Morgen war ihm das ganz natürlich vorgekommen. Niemand, nicht einmal Circendil, war bewaffnet zum Rat gegangen; und nach seinem Gespräch mit dem Bürgermeister hatte er nicht mehr daran gedacht, die Klinge aus der Gästekammer zu holen. Er überlegte, ob er jetzt schnell zurücklaufen sollte. Dann fiel ihm ihr Gespräch von heute früh im Garten wieder ein. Er dachte an seinen täppischen, unvollendeten Satz von der Angst, und er schämte sich abermals, ohne so recht zu wissen, wofür. Er fürchtete, sie würde sein Zurücklaufen nur dieser vermeintlichen Angst zuschreiben. Er würde es ihr erklären müssen; und schon allein um dieses peinliche Gespräch zu vermeiden, verbiss er sich eine entsprechende Äußerung. »Na, von mir aus gern«, hörte Finn sich stattdessen sagen. »Dann wollen wir mal. Fügen wir Wagen und Pony zusammen.«
    Also nahmen sie dem verdutzten Smod den gerade aufgelegten Sattel wieder ab und schirrten ihn vor den Einspänner der Klärerin, der im Hinterhof des Gasthauses stand. Tallia dachte nicht daran, auf den gepolsterten Sitzen hinten Platz zu nehmen, sondern schwang sich vorn zu Finn auf den Kutschbock. Er ließ diePeitsche schnalzen, und sie ratterten vom Hof und bogen hinter dem Gasthof in die Korbmacherstraße ein.
    Wenig später passierten sie das westliche Dorfheckentor. Eine zwischen den Pfosten auf einem Sonnenfleck dösende Katze sprang erschrocken zur Seite und fauchte ihnen entrüstet nach. Aus einigen Gemüsegärten, die rechts wie links entlang der Hecke verliefen, flatterten verärgerte Krähen auf und flohen vor dem Rattern der Räder.
    Vom Tor aus folgten sie der Mürmelstraße, die zuerst zwischen den Gärten verlief, deren Zäune aber bald schon hinter sich ließ, ehe sie den Gänseweiher umrundete und hernach schnurstracks der Mürmel zustrebte. Für eine kleine Weile ging es den Buckel hinab, und Smod trabte munter voran. Mechellinde lag etwas erhöht und bildete eine annähernd kreisrunde Insel im umliegenden Marsch- und Wiesenland. Zu beiden Seiten und auch jenseits des Flusses zu ihrer Rechten leuchteten die Stoppelfelder, Äcker und feuchten Weiden in der über ihnen stehenden Sonne; es erschien Finn, als schimmerten sie mit Tallias Lockenschopf um die Wette.
    Es war ein herrlicher Nachmittag im Hüggelland.
    Ein goldener Tag im Herbst, und sie fuhren mitten hinein.
    Sie saßen Seite an Seite, und ihre Hüften berührten sich unweigerlich immer wieder, wenn ein allzu tiefes Schlagloch

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