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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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dem Wagen einen Stoß versetzte. Tallia lachte, wenn das geschah, und Finn ertappte sich dabei, wie er Smod ab und zu und absichtlich durch Kuhlen und Fahrrinnen lenkte.
    Tallias Nähe, überhaupt die unmittelbare Nähe eines Vahitmädchens war für Finn reichlich ungewohnt. Sicher, er hatte das Tanzen erlernt und war bei Dorffesten in der Lage, eine Dame geziemend durch einen Reigen zu führen. Aber Tanzen und das ausgelassene Sich-Drehen zur Musik vor den Augen der anderen war eines.
    Das hier war etwas völlig anderes.
    Ein derart schönes und liebreizendes Mädchen, wie Tallia es war, so dicht neben sich zu spüren machte ihn verlegen. Und mutig zugleich. Er spürte ihren warmen Körper mehr als deutlich neben sich. Er nahm ihren Duft wahr, der einen Hauch von Sonne, gesunder Haut, frisch gewaschenen Haaren und einen milden und irgendwie blumig anmutenden Seifengeruch in sich vereinigte. Vielleicht verströmte sie auch ein wenig Salböl oder dergleichen, und er hatte niemals etwas geatmet, das diesem verwirrenden Gemisch auch nur annähernd glich. Er hätte ewig so dasitzen und einfach nur schnuppern können wie ein Kater, der sich an frischer Minze ergötzte, oder wie einer von Gesslos Hasen, der in der Wiese witterte.
    Natürlich gehörte sich so etwas ganz und gar nicht.
    Es schickte sich nicht und wäre ihm noch vor einer Stunde als überaus schlechtes und tadelnswertes Benehmen vorgekommen.
    Aber jetzt, hier und eben jetzt, war alles anders. Verstohlen atmete er ein, hoffend, dass sie es nicht bemerkte; und möglichst langsam ließ er die Luft wieder entweichen, als wolle er mit einem jeden Atemzug die Erinnerung an ihren Duft gleichsam in sich aufsaugen, um ihn auf diese Weise zu behalten. Und konnte doch nicht anders, als es beim nächsten Luftholen wieder und wieder zu tun. Sobald eine neue Rille oder ein neuerlicher Stoß kamen und sie sich lachend gegen ihn drängte, wandte er sich ihr zu und sagte irgendetwas; vermutlich albernes Zeug, da er es sogleich wieder vergaß. Aber darauf kam es nicht an. Wenn er Glück hatte, verschwand seine Nase nämlich für einen köstlichen Moment in ihren umherspringenden Locken, und ihr Duft wurde plötzlich schwer und legte sich wie die Ahnung von etwas Unvorstellbarem auf sein Herz, das heftig in seiner Brust pochte.
    Finn dachte an seine einsame Herfahrt auf dieser Straße zurück, und damals   – damals! Es war erst vier Tage her   – wäre ihm nicht einmal im Traum eingefallen, dass er seine Rückfahrt an der Seite eines Mädchens, nein, an der Seite dieses Mädchens antreten würde.
    Das Wäldchen auf halber Strecke tauchte vor ihnen auf, als sich die Straße um einen der unzähligen Hügel herumwand. Finn kniff die Augen zusammen, denn die Sonne war derweil weitergewandert und schien ihnen nun mitten ins Gesicht.
    »Die Rohrammers«, sagte er, um wenigstens wieder etwas zu sagen, denn er merkte, dass sie schon eine Weile schwiegen und gemeinsam über Smods schwankenden Hals nach vorne blickten. Die Straße verlief nach der Kuppe gerade und ohne Schäden und kletterte nur leicht zwischen welk werdenden Sonnenblumen bergan. Das letzte Schlagloch (von ihrem betörenden Lachen befüllt) war schon wenigstens zehn Minuten her. »Ich weiß nicht. Hoffentlich bist du nicht enttäuscht, wenn du sie erst kennenlernst. Sie sind, na, wie soll ich sagen   – ziemlich eigenbrötlerisch. Eigentlich sind sie die Familie, die ich in Moorreet am wenigsten kenne. Als Nachbarn sind sie nicht sonderlich beliebt. Sie bewohnen den letzten Broch. Ich meine«, verbesserte er sich schnell, »ihr Broch steht ganz am Ende der Straße; es ist das letzte Haus des Bradas, danach kommen nur noch Moor und Dickichte und unwegsamer Sumpf mit Schilf und gewiss abertausenden von Fröschen darin.«
    »Wer wohnt noch unter ihrem Dach?«, wollte Tallia wissen. »Außer Ridibund und Rana, meine ich?«
    »Sie haben zwei Söhne, Buffo und Wigo. Keine Tochter. Beide sind älter als ich. Wir sind mit zu großem Abstand geboren, um als Kinder gemeinsam gespielt zu haben. Und ehrlich gesagt, sie haben mir immer …« Er brach ab. Am liebsten hätte er sich auf der Stelle selbst geohrfeigt. Sie haben mir immer Angst gemacht, hätte er beinahe gesagt. Eben noch rechtzeitig schluckte er die Bemerkung hinunter. Obwohl es stimmte: Wigo und Buffo waren schon als Sechsjährige rüde Gesellen, die stets zusammenhielten und manchen Streich auf Kosten von Schwächeren ausheckten. Auf Finns Kosten, unter

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