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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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ja, nicht ganz wie Ihr, sollte ich wohl sagen, ich bitte um Entschuldigung. Jener ist anders. Irgendwie grau im Gesicht. Fast schwarzhäutig. Mit Augen, so schwarz wie Kohlen. Sie kennen kein Mitleid, und wenn doch, dann ist es etwas, über das er lacht. Er ist noch weitaus fremder als Ihr, wenn Ihr versteht, was ich meine, und der Anführer einer Horde von noch seltsameren Wesen. Habt Ihr je Gidrogs gesehen?«
    »Gidrogs?«, überlegte Circendil. »Nein. Zumindest habe ich diesen Namen nie zuvor gehört.« Er wickelte das Tuch vom Arm des Mädchens und schüttelte bedenklich den Kopf. »Nachher müsst Ihr mir mehr über jene Wesen und diesen Menschen erzählen. Und über alles, was euch zugestoßen ist. Doch zuerst ist Gatabaid wichtiger. Die Fasern ihres Kleides stecken in der Wunde, und die Verkrustung ist schon zu weit fortgeschritten, als dass Wasser sie noch lösen könnte. Ihr Fleisch hat sich bereits arg entzündet; ich werde ein paar besondere Kräuter brauchen, die ich zunächst finden muss. Und Bast von einer Linde. Wo habe ich bloß die letzte Linde gesehen? Und ein anderes Wo sollte ich auch beachten: Wo, sagt Ihr, sind diese Gidrogs?«
    »Am anderen Ufer, in der alten Festung, die Ihr vorhin sehen konntet.«
    »Werdet ihr von ihnen verfolgt?«
    »Wir wissen es nicht, nehmen es aber an«, sagte Finn.
    »So will ich eilen«, sagte der Davenamönch und stand auf.
    Er sah sie mit leicht gerunzelter Stirn an.
    »Wobei ich mich frage, wie ihr wohl über den Wirrelbach entkommen seid. Er ist reißend und voller Strudel, und die Brücke ist weiter flussabwärts. Nun, ein weiteres Geheimnis, das warten muss. Jedenfalls denke ich, ihr seid hier einstweilen sicher. Leider kann ich euch nichts mehr zu essen anbieten, aber ich will sehen,ob ich unterwegs etwas finde. Vielleicht schmecken euch unterdes die schwarzen Holunderbeeren dort drüben.«
    Er zeigte zum jenseitigen Rand der Lichtung, wo einige Sträucher schwarzrote Früchte trugen. »Nun, es sind nicht mehr viele; für die eine oder andere Handvoll aber wird es reichen. Meinen Rucksack lasse ich hier. Bitte entfernt euch nicht. Hier an der Quelle seid ihr von keiner Seite aus zu sehen, wenn ihr nicht gerade vor die Büsche rennt und winkt. Aber redet vor allem leise. Ich konnte vorhin eure Stimmen schon hören, als ihr noch oben im Tannenwald wart.«
    Damit wandte er sich um und verschwand im Dickicht.
    Er ging schnurstracks in Richtung Wirrelbach davon, und noch während hinter ihm die Zweige der Sadesträucher wieder zur Ruhe kamen, vermochten sie seine Schritte schon nicht mehr zu hören.
    »Na, das ist mal ein seltsamer Kerl«, sagte Finn. »Was hältst du von ihm?«
    Mellow machte eine unentschlossene Geste. »Mir wäre wohler, wenn ich das wüsste. Er ist zumindest nicht unfreundlich, obwohl ich mich sehr erschrocken habe, als er so plötzlich hinter uns stand. Für einen kurzen Moment dachte ich, jetzt hätten sie uns, und im nächsten Augenblick würden Gidrogs aus dem Unterholz brechen. Aber dann   … Es ist etwas an ihm, was mich glauben lässt, dass er nicht zu ihnen gehört. Zwar sieht er schäbig aus, und Saisárasar würde seinen geflickten Mantel nicht wollen, aber sein Blick ist klar und offen. Er hätte uns auch jederzeit töten können, wenn er es gewollt hätte. Ja, für den Moment denke ich, wir können ihm vertrauen.«
    »Meinst du, er geht wirklich Kräuter holen?«
    »Warum fragst du? Glaubst du denn, er will uns verraten?«
    Finn bog die Zweige eines Sadebusches zur Seite und spähte den Hang hinunter, konnte den Menschen aber nicht mehr sehen. »Ich weiß nicht, was ich denken oder glauben soll, Mellow. Er ist zum Wirrelbach runter«, sagte er mehr zu sich selbst gesprochen statt zu Mellow, als er sich wieder aufrichtete. »Er könnte weiter flussabwärts zur Brücke gehen, oder?«
    Mellow nickte, als er neben Finn durch die Büsche spähte.
    »Während wir hier in aller Seelenruhe warten? Das könnte er. Und drüben Bescheid geben? Nun, möglich wäre es. Aber ich glaube es nicht. Das, was er über Freundschaft suchen und Wissen teilen sagte, schien mir aufrichtig zu sein. Ich frage mich nur, warum er eine derart weite Reise auf sich nimmt. Der Nintobel ist immerhin über dreitausend Meilen von hier entfernt, falls Ludowig nicht maßlos übertrieben hat. Kein Pappenstiel, wie mein Vater sagen würde. Der Vindländer muss schwerwiegende Gründe haben, die ihn hierher zu uns führen. Und ich frage mich, ob die uns gefallen werden.

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