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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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Zeigefinger.
    Abbado unterdrückte gerade noch rechtzeitig einen halberstickten Seufzer und schlug sich stattdessen verlegen die Hand vor den Mund.
    »Nein, gar nicht gut«, widersprach Furgo sich selbst. »Abbado, du wirst doch hier in der Werkstatt gebraucht. Lass   … warte   … Lass Galing die Sachen nach Mechellinde fahren. Nein, nimm Finnig. Er ist in der Bücherey recht gut bekannt; sie mögen ihn dort. Und wenn du schon in Mechellinde bist«, wandte der Vater sich an Finnig, »frage gleich bei Bolath dem Lohgerber nach. Unsere Ledervorräte gehen zur Neige.«
    Finn hielt unwillkürlich den Atem an. Am liebsten hätte er vor Freude geschrien. Die Bücherey! Nach drei Wochen in des Vaters Werkstatt hätte er lieber heute als morgen ganz Fokklinhand stehen und liegen gelassen, um dort seine Lehrzeit zu verbringen. Und schon war er es, der einen Seufzer zu unterdrücken hatte.
    »Selbstverständlich, Herr Furgo«, dienerte Abbado abermals beflissen. Obwohl er diesmal gar nicht gemeint war. Finn nickte und versicherte: »Ich bestelle Bolath schöne Grüße.« Und es würden sehr kurze Grüße sein, nahm sich Finn fest vor. Schon meinte er, den haarsträubenden Gestank in der Nase zu spüren, der von der Lohgerberei ausging. Je kürzer, desto besser.
    »Das ist das wenigste«, betonte Furgo. Ein letzter Blick galt seinem eigenen, makellos aufgeräumten Schreibtisch. »So sei es denn: auf Wiedersehen. Passt mir bloß gut auf die Werkstatt auf.«
    »Auf Wiedersehen, Herr Furgo.«
    »Gute Reise, Papa«, sagte Finn. Einer der frisch geputzten Stiefel seines Vaters geriet in einen Sonnenstrahl und blendete ihn. Finn musste blinzeln und kniff die Augen zusammen. Vielleicht bemerkte er dadurch den offenen Schnürsenkel.
    »Auch wenn dir eines Tages dies alles gehören wird, Finnig, mein Sohn   – bis zu meiner Rückkehr hat Abbado an meiner statt den Meisterstab in Händen. Vergiss das nicht. Ich erwarte, dass du folgsam und eilfertig bist.«
    Selbstverständlich, Herr Furgo , dachte Finn und rollte im Geiste die Augen. Laut aber sagte er: »Dein Schnürsenkel ist offen, Papa. Ich meine: Bevor du noch hinfällst …«
    Furgo sah an sich herab. »Oh«, sagte er. »Vielen Dank.« Und bückte sich, um den Stiefel neu zu binden.
    Noch während er eine kunstvolle Schleife band, fiel Furgos Blick unter das Pult, an dem Finn über den Lagerlisten saß, und etwas in den Augen seines Vaters warnte Finn. Auf den Knien rutschte Furgo fast lautlos näher, nunmehr einem jagenden Fuílfrar, der sich an sein Wild heranpirscht, nicht unähnlich. Abbado verfolgte verständnislos das seltsame Treiben seines Herrn. Da schnellte Furgos Hand nach vorn. Er griff zwischen Finns Beinen hindurch, und im nächsten Moment zog er die Hand zurück, sprang auf die Füße und hielt Finn seine Beute anklagend vor das Gesicht.
    Furgos Hut war ihm bei seiner Jagd ins Genick verrutscht. Dashätte seinem Aussehen etwas Lächerliches gegeben, wäre da nicht der grimmige Ausdruck in seinen braunen Augen gewesen.
    »Was ist das, Finnig?« Furgos Stimme klang plötzlich leise. Grollend und gefährlich leise. Fast scharf. Ein schlechtes Zeichen.
    Finn, der mit allem gerechnet hatte, einer verendeten Maus vielleicht, einer herabgefallenen Schreibfeder oder einem versehentlich in die Ecke gerollten Apfelgriebsch, zog den Kopf zwischen die Schultern.
    »Nun, ein   … lass sehen   – ein Brief?« Finn sprach das Offensichtliche aus, weil es in Momenten wie diesen nicht weise gewesen wäre, gar nichts zu sagen. Das wäre fast so schlimm, wie ein auch nur angedeutetes Ich weiß nicht zu äußern. Auch wenn das der Wahrheit am nächsten kam.
    »Aha, also ein Brief!«, hob Furgo säuerlich an. Finn hasste es, wenn sein Vater begann, die Sätze derer zu wiederholen, mit denen er sprach. Er schaffte es damit, und vor allem mit seinem Tonfall, spielend, jedem Gegenüber das Gefühl zu geben, an irgendetwas erwiesenermaßen schuld zu sein, auch wenn der Betreffende nicht einmal ahnte, woran.
    Finn versuchte, einen Blick auf den Absender des Briefes zu werfen, doch er erkannte nur so viel: Das Siegel war unversehrt, der Brief somit noch ungelesen. Dort, wo der Absender in großen Buchstaben stand, presste sich Furgos Zeigefinger auf das Papier. Bana-   – war alles, was Finn lesen konnte.
    »Na, dann wollen wir mal sehen«, sagte Furgo, scheinbar bedächtig.
    Der Meister griff nach einem Brieföffner, zerbrach das Siegel und faltete das Blatt auseinander. Finn

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