Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
Vom Netzwerk:
die Vahitfrau wie geheißen nieder. Sie fiel ins Gras, mit dem Gesicht auf den Boden, und regte sich nicht.
    »Und nun«, sagte Saisárasar, »geh die Criargs holen. Sie trauern immer noch um ihren Schwärmling. Und Trauer macht bekanntlich hungrig   – so sagt ihr doch im Hüggelland, nicht wahr?«
    »Nein! Anselma!«, schrie Banavred, außer sich vor Angst. »Anselma!«
    »Hör auf!«, sagte Mellow leise. »Es ist zu spät.«
    »Aber sie können sie doch nicht diesen Untieren lebendig zum Fraß vorwerfen!«, brüllte Banavred.
    Ein belustigtes Lächeln machte sich im Gesicht des Schwarzgekleideten breit. »Nein?«, fragte er beiläufig. »Können wir das nicht? Ich denke, wir können es sehr wohl. Und wir wollen auch.Allerdings werden wir nicht. Nicht in dem Fall, dass ihr uns endlich sagt, wer geschossen hat. Dann lasse ich sie vielleicht unberührt.«
    »Dann sagt es ihm doch, wenn er es hören will!«, schrie der alte Vahit Mellow an.
    »Es ist sinnlos«, antwortete der Landhüter gepresst. »Er lügt. Sie ist längst tot. Es tut mir leid, Herr Banavred!«
    »Nein!«, brüllte dieser. »Du bist es, der lügt! Sie lebt! Ich weiß es! Ich sehe sie atmen! Schau doch! Sie lebt! Nimm diese Viecher von ihr!« Den letzten Satz schrie er mit überkippender Stimme.
    Der Gidrog war derweil mit den drei Criargs nahe genug herangekommen. Sie witterten, und sie konnten ihre Beute erkennen . Sie reckten ihre Hälse und wetzten die Schnäbel. Ihr Führer rief einen scharfen Befehl und hielt sie nur mühsam an den Zügeln zurück. Die Vögel hüpften erregt von einem Bein auf das andere und kratzten mit den Klauen das Gras vom Erdreich, in dem tiefe Furchen zurückblieben.
    »Ihr wollt immer noch nicht reden?«, fragte Saisárasar. Er breitete die Arme aus, als wolle er bedeuten, er habe es wenigstens versucht. Als er keine Antwort erhielt, ließ er sie wieder fallen. »Nun, es ist eure Entscheidung. Dann sei es drum. Und du, mein alter Freund Banavred? Immer noch keine Idee, wo eure Krieger stecken, nein? Sieh besser gut hin, kleiner Mann. Criargs sind gründlich, wenn sie fressen. Du wirst sie zum letzten Mal sehen. Doch sie wird ihnen gut munden, denke ich. Krembatak!«
    Auf dieses Wort hin ließ der Gidrog den Criargs die Zügel schießen. Mit wildem Gekreisch senkten sie ihre Köpfe und schlugen ihre scharfen Schnäbel in das dargebotene Fleisch. Im Nu hatten sie die Frau in mehrere Teile zerrissen. Zwei zankten sich um ein Bein. Der dritte schleuderte wütend ein Stück des befleckten Kleides fort, das sich an seiner Schnabelspitze verfangen hatte. Blut spritzte die Steine hinauf. Zäh floss es an den Stufen wieder herunter.
    Banavred sackte auf die Knie. Er wimmerte und wehklagte in einem fort. Mellow und Finn starrten verständnislos auf das Entsetzlichste, was sie je in ihrem Leben gesehen hatten. Sie begannen beide beinahe gleichzeitig zu würgen. Heftigste Krämpfe schüttelten sie, und vor ihren Augen drehte sich die Welt in ihr Innerstes.

7 . KAPITEL
    Vierzig Sprünge
    F INN KEUCHTE, UND SEINE Ellbogen taten ihm weh. Er fand sich am Boden liegend wieder, das Gesicht auf die rauen, kalten Steinplatten gepresst. Ein Haufen Haare lag dicht vor seiner Nase, und er brauchte einen Moment, um darunter Mellows verzerrtes Gesicht zu erkennen. Eigentlich konnte er nur die Augen und einen Teil des Nasenflügels sehen; Mellows Mund lag außerhalb seines Sichtfeldes, dicht neben Finns rechtem Ohr.
    Um sich herum hörte er ein Splittern und Knacken von Knochen und das geräuschvolle Schlingen der Criargs, in das sich hin und wieder ein gedehntes Krächzen oder Knarzen mischte; eine Art wonnevoller Laut, falls die Reitvögel zu solchen Empfindungen überhaupt fähig waren. Ihr Streit war offenbar vorüber. Sie rissen und zupften gemeinschaftlich an dem herum, was einst eine Vahitfrau gewesen   – und für sie nicht mehr als ein Fleischbrocken, an dem sie sich gütlich taten.
    Wie lange er schon am Boden lag, konnte Finn nur vermuten; allerdings nahm er an, dass es nicht mehr als ein paar Augenblicke gewesen sein konnten. Saisárasars dunkle Gestalt sah er nicht; aber nach den auf einen Punkt gerichteten Blicken der Gidrogs zu schließen, die den Platz nach wie vor in einem Halbkreis umstanden, schien der Mensch noch auf seinem harten Thron aus Stein zu sitzen, Finn wagte es nicht, sich zu bewegen, aus Angst, er würde sich dadurch sofort an ihn erinnern.
    »Wenn du mich rennen siehst«, hörte er plötzlich Mellow flüstern,

Weitere Kostenlose Bücher