Der verhängnisvolle Urlaub
Verwandtschaft lange die Bezeichnung ›Wepse‹. Niemand konnte sagen wieso.«
»Vielleicht war damit ›Wespe‹ gemeint.«
»Wespe? Das Stacheltier?«
»Könnte doch sein«, grinste er.
»Nicht sehr schmeichelhaft für mich.«
Aber zutreffend, dachte er und fragte sie: »Verstehen Sie Bayrisch?«
»Nein, wieso?«
»Die Altbayern sagen ›Weps‹ zur Wespe. Sie drehen also die zwei Konsonanten in der Mitte des Wortes um. Außerdem verändern sie auch das Geschlecht. Sie sagen ›Der Weps‹ und nicht ›Die Wespe‹.«
Karin staunte. Sie dachte auch wieder an Morgenstern und fragte: »Woher wissen Sie das alles? Sind Sie Philologe?«
»Nein.«
»Bibliothekar?«
»Auch nicht.«
»Oder etwas Ähnliches?«
Er schüttelte noch einmal verneinend den Kopf, entschloß sich plötzlich, in seinen alten Bademantel zu schlüpfen, und sah dann, angetan mit dem zerfransten Stück, an sich herunter, wobei er sagte: »Und nun möchte ich Ihnen diesen Anblick nicht mehr länger zumuten. Schönen Dank für die Zeit, die Sie mir hier Quartier gewährt haben.«
Karin blickte ihm nach. Das wäre aber jetzt auch nicht notwendig gewesen, dachte sie. Wir hätten uns doch irgendwie einigen können. Er mit der Nase in seinem Buch, ich mit dem Gesicht in der Sonne, die Augen geschlossen, beide einander keine Beachtung schenkend – warum hätte das nicht gehen sollen?
Karin betrachtete ihren Korb, trat näher an diesen heran. Er wirkte so leer. Dem wäre aber abzuhelfen gewesen dadurch, daß sie sich in ihn hineingesetzt hätte. Indes, dazu verspürte sie plötzlich nicht mehr die richtige Lust.
Erstens brauche ich etwas, sagte sie sich, zum Lesen. Und zweitens will ich braun werden; das kann ich aber nur im Badeanzug und nicht im Strandkleid. Wozu habe ich denn meinen neuen Bikini? Du liebe Zeit, fiel ihr ein, der liegt ja noch im Hotel.
So kam es, daß Karin Fabrici verhältnismäßig bald wieder am Hauptstrand auftauchte, wo die Arbeiten, die dort verrichtet wurden, rasch ihren Fortschritt genommen hatten und noch nahmen. Karin hatte es nicht eilig; ihr Bikini, den sie holen wollte, lief ihr nicht davon. Sie blieb stehen, um ein bißchen zuzugucken. Gerade wurde über den breiten Laufsteg, der die beiden Podien verband, ein blutroter Teppich gelegt, und an den Podien selbst stellten Arbeiter große, in grünen Holzkisten gepflanzte Palmen im Halbkreis herum. Ein Mann in einem weißen Fresko-Anzug dirigierte die Schar der Tätigen und reagierte sofort, als er Karins Interesse bemerkte, indem er sich galant vor ihr verneigte und lächelnd fragte: »Gnädigste werden sich heute abend auch zur Wahl stellen?«
»Zur Wahl?« Karin schüttelte den Kopf. »Welche Wahl denn?«
»Das wissen Sie nicht? Sie sind wohl heute erst angekommen?«
»Ja.«
»Daher also. Die Insel wählt heute abend unter Beteiligung aller Gäste seine Königin. Die schönsten der jungen Damen werden sich um den Titel der ›Miß Nickeroog‹ des laufenden Jahres bewerben. Der Preis: ›24 Stunden lang Leben eines Filmstars‹. Die NNDF – Neue Norddeutsche Film AG – hat sich dazu zur Verfügung gestellt. Für die Gewinnerin der Wahl wird das eine einmalige Chance sein. Versteht sie es, die Gelegenheit beim Schopf zu packen, und hat sie das nötige Talent, kann sie für immer beim Film landen. Ist das nichts, meine Gnädigste?«
»Doch, doch«, lachte Karin.
»Ich bin der Veranstalter dieser Schönheitskonkurrenz.« Abermalige Verneigung. »Wenn Sie gestatten: Johannes M. Markwart.«
»Freut mich«, sagte Karin, unterließ es aber, sich selbst auch vorzustellen.
Johannes M. Markwart war es gewohnt, seinen Job oft mit Privatem zu verbinden.
»Gnädigste«, meinte er mit gedämpfter Stimme, »ich hätte Sie zur Teilnahme an der Wahl gar nicht animieren dürfen.«
»Warum nicht?«
»Weil ich selbst den Ruin meiner Veranstaltung damit sichergestellt habe. Sie wird keine Konkurrenz mehr sein.«
Was er damit meinte, war nicht schwer zu begreifen.
»Wenn das so ist«, erklärte Karin vergnügt, »werde ich an der Veranstaltung natürlich nicht teilnehmen, um Sie vor Schaden zu bewahren.«
»Aber nein!« rief Johannes M. Markwart. »Lassen Sie sich um Himmels willen nicht davon beeinflussen. Was kümmert mich geschäftlicher Mißerfolg gegen das Geschenk, mit Ihnen bekannt zu werden, mit Ihnen Kontakt zu bekommen, diesen auszubauen, ihn zu intensivieren bis hin zu einer Verbindung, die gekennzeichnet wäre durch die Rosen, die ich Ihnen auf den Weg
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