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Der verhängnisvolle Urlaub

Der verhängnisvolle Urlaub

Titel: Der verhängnisvolle Urlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht zu? Sie haben schon mal von Goethe und Schiller gehört, aber dann …
    »Morgenstern? Ein Dichter?« wunderte sich Karin.
    Der Mann lachte.
    »Sogar ein guter.«
    »Das glaube ich nicht«, widersprach Karin.
    »Doch, doch.«
    »Jedenfalls kann er nicht sehr bekannt sein, sonst hätte ihn meine Mutter schon mal erwähnt.«
    Dies schien dem braungebrannten Sonnenanbeter eine Frage wert zu sein.
    »Ihre Mutter?«
    »Sie liest jede freie Minute«, erklärte Karin stolz.
    »Respekt!«
    »Aber Morgenstern …? Nein, von dem noch nichts, da bin ich ganz sicher.«
    »Vielleicht bevorzugt sie nur Prosa?«
    »Was?«
    »Romane.«
    »Ja, natürlich, was denn sonst?«
    »Es gibt auch noch Lyrik.«
    »Was?« stieß Karin wieder hervor.
    »Gedichte.«
    Karin spürte natürlich, daß sie nicht gerade gut abschnitt bei diesem Frage- und Antwortspiel, aber das machte ihr nichts aus. Wenn man ein so hübsches Mädchen war wie sie, wurde einem mangelnder Bildungsglanz nachgesehen. Was sie zu bieten hatte, waren zuerst einmal äußere Werte; auf innere mochte man vielleicht später Wert legen.
    Die äußeren waren es auch, die den Sonnenanbeter nun veranlaßten, sich aufzusetzen, sich mit einer Hand im Sand aufzustützen (in der anderen hielt er noch immer seine Sonnenbrille) und Karin ähnlich ungehemmt in Augenschein zu nehmen wie der Mann in der Hotelhalle. Karin konnte es nicht verhindern, unter seinem Blick zu erröten. Sie ärgerte sich.
    »Sie sind heute erst angekommen«, sagte er.
    Karin schwieg.
    »Sie wären mir sonst schon eher aufgefallen«, fuhr er fort. »Wo wohnen Sie?«
    Karins Antwort bestand darin, ihm stumm ihr Ticket zu zeigen. Sie erwartete sich davon die einzig mögliche Reaktion des Mannes. Es geschah aber nichts. Ihre Rechte blieben ihr vorenthalten.
    »Sie werfen zwar mit unbekannten Dichtern um sich«, sagte Karin daraufhin, »aber lesen können Sie anscheinend nicht.«
    Sie hielt ihm dabei ihr Ticket noch näher vor Augen und zeigte auf die Nummer des Liegekorbes.
    »Fünfundvierzig«, sagte er.
    »Von mir gemietet, mein Herr.«
    »Gratuliere.«
    »Danke, aber …« Sie machte eine Handbewegung, der nur der Sinn innewohnen konnte, daß er sich verflüchtigen möge.
    »Wissen Sie, warum ich Ihnen gratuliere?« antwortete er jedoch ungerührt.
    »Warum?«
    »Weil Sie mich mit gemietet haben.«
    »Weil ich was habe?«
    »Mich mit gemietet. Ich liege seit einer Woche in dieser Burg und vor diesem Korb und finde die Position hier am Rand der Düne herrlich. Daß Sie mich zwingen wollen, das aufzugeben, kann ich mir gar nicht vorstellen.«
    »Es wäre aber angebracht von Ihnen, sich das ganz rasch vorzustellen.«
    »Und wenn ich mich dazu nicht in der Lage fühle?«
    Die Hartnäckigkeit, ja die Frechheit des Mannes trieb Karin mehr und mehr auf die Palme.
    »Dann werde ich«, drohte sie ihm an, »die Kurverwaltung ersuchen, Sie aus meinem Korb zu entfernen.«
    »Schade.« Der Fremde grinste breit. »Ich wäre bei Ihnen so gern der Hahn im Korb.«
    »Ich will Ihnen etwas sagen«, erklärte Karin, wobei sie sich aus dem Sand erhob. »Es liegt mir nicht, Streit zu suchen. Ich gebe Ihnen deshalb Gelegenheit, die Sache friedlich beizulegen, während ich mich hier ein bißchen umsehe. In einer halben Stunde werde ich aber zurück sein, und ich hoffe, daß Sie dann das Feld geräumt haben. Wenn nicht, werde ich Sie dazu eben zwingen müssen. Ersparen Sie mir das, bitte.«
    Sie wandte sich ab und ging davon.
    »Hallo!« rief er ihr nach. »Hallo!«
    Sie setzte ihren Weg fort, ohne sich umzudrehen. Er verstummte. Karin ging durch die Dünen zum Hauptstrand zurück. Die Musik der Strandkapelle, die in einer großen Zementmuschel am Meer saß, tönte ihr entgegen. Auf der festgewalzten Strandpromenade vor den Glasterrassen der Hotels und vor den Eispavillons, den Cafés und Andenkenbuden stolzierten die Damen, angetan mit den neuesten Modeschöpfungen des Sommers. Lachen und Rufe, Kinderweinen und Wortfetzen angeregter Unterhaltung schwirrten durcheinander, während nahe der Musikmuschel Handwerker ein großes Holzpodium und einen langen Laufsteg bis zu einem anderen Podium aufbauten, wo in vornehmen Schwarz ein großer Konzertflügel unter einem blendend weißen Sonnenschirm stand.
    Karin sah den Arbeitern eine Weile zu, ohne zu wissen, was da von ihnen errichtet wurde. Dann schlenderte sie zu einem Eispavillon und setzte sich auf einen der Hocker, die vor der wie eine Bar gestalteten Theke aufgereiht waren. Der

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