Der verhängnisvolle Urlaub
Schürzenjäger seinen Träumen, die diesmal nur als Illusionen zu bezeichnen waren.
Torgau hob die Hand zu einem legeren Gruß.
»Wir müssen uns hier trennen, Lola«, sagte er.
»Wohin willst du?«
»Zur Kurdirektion. Ich habe da noch etwas zu erledigen.«
»Bei deinem Onkel?«
»Oder seiner Frau.«
»Tschüß!«
»Tschüß!«
Lola setzte sich in den nächsten Eispavillon, um ihrem aufgewühlten Inneren Zeit zu geben, sich wieder etwas zu beruhigen. Erst wenn das erreicht sein würde, wollte sie sich ihren Hannes vorknöpfen.
Über dem Haupte Torgaus hing die Drohung, daß bei der Kurdirektion eine Beschwerde über ihn einging. Wenn ja, sollte dies die Direktion nicht ganz unvorbereitet treffen. Walter eilte deshalb mit langen Schritten um das Kurhaus herum und betrat durch einen Nebeneingang das große Gebäude. An einer Tür im zweiten Stockwerk hing ein Schildchen mit der Aufschrift ›Kurdirektor. Privat.‹ Torgau zögerte davor kurz, grinste, klopfte an und trat mit den Bewegungen eines Mannes, der so etwas gewöhnt ist, in das weite, helle Zimmer, wo ihn eine elegante Vierzigerin empfing. Als die Dame seiner ansichtig wurde, lächelte sie erfreut.
Der hereinbrechende Abend sah das weite Rund um die Konzertmuschel und die beiden Podien bereits mit Publikum gefüllt. Auf weißen Stühlen saßen an kleinen, runden Korbtischen die Kurgäste, die in ihren besten Garderoben erschienen waren, in Abendkleidern aus bekannten Modeateliers, in Smokings aus den Werkstätten hochbezahlter Schneider. Pretiosen blitzten, Ringe, Broschen, Ketten. Perlen schimmerten. Die Fülle der Frisuren, der modischen Neuheiten und eleganten Extravaganzen regte zu leisen Gesprächen, zu eifersüchtigen Blicken und getuschelten Debatten des Neides, der Kritik, nur selten des Lobes oder der Bewunderung an. Joviale Herren fortgeschrittenen Alters wandelten durch die Stuhl- und Tischreihen, begleitet von auffallend jungen Damen, die alle ihre Töchter hätten sein können, es aber nicht waren.
Überall hingen an langen, bunten Kordeln Hunderte von Lampions, die ein weiches, mildes Licht über den Ort des Geschehens gossen, auf diese Weise ein farbenfrohes Bild schufen und zusammen mit dem Rauschen des Meeres, den Klängen der Kapelle und dem Stimmengemurmel des Publikums eine Atmosphäre erzeugten, die enthusiastische Besucher feenhaft nannten.
In der Konzertmuschel stand vor seiner Kapelle ein Bandleader, den man genausogut für fünfzig wie für dreißig hätte halten können. Kohlschwarz glänzte sein Haar, kohlschwarz glühten seine Augen. Der typische Südländer. Die Augen waren ein Werk der Natur, die Haare eines der zahlreichen Friseure, die schon damit beschäftigt gewesen waren, sie zu färben.
Benito Romana, der bekannte Tangospezialist …
Magnetisch zog er die Blicke angejahrter, frustrierter Ehefrauen, aber auch verträumter Teenager auf sich. Wenn er sich untertags am Strand sehen ließ, um Badefreuden zu genießen, klopften viele Damenherzen schneller. Nur vereinzelt gab es allerdings auch Augen, die schärfer hinsahen und an seinem kastanienbraungebrannten Körper Spuren des Verfalls entdeckten, Spuren, die darauf schließen ließen, daß ihn die Massagen der zwei Sängerinnen seiner Kapelle mehr in Mitleidenschaft zogen, als sie ihn in Form halten konnten.
Benito Romana stammte nicht aus südlichen Gefilden, sondern aus Berlin-Moabit und hieß schlicht Karl Puschke. Das wußte aber niemand, nicht einmal die Kurdirektion ahnte dies, die den erfolgreichen Orchesterleiter mit seiner ausgezeichneten Kapelle nach längeren Bemühungen aus einer rheinischen Großstadt nach Nickeroog hatte locken können.
Sein Trick war es, ein gebrochenes Deutsch mit italienischen Brocken zu durchsetzen. Dafür wurde er von jung und alt, soweit es sich um Vertreterinnen des schwachen Geschlechts handelte, angehimmelt. Sein musikalisches Repertoire war groß; persönlich favorisierte er allerdings, wie schon erwähnt, den Tango; insofern wurde er von der Jugend, besonders der männlichen, manchmal doch auch schon als etwas antiquiert empfunden.
Am größeren Podium standen:
Johannes M. Markwart, ein wenig bedrückt nach einer sehr lauten Aussprache mit seiner Lola; Maître Sandrou, ein bekannter Pariser Modellschneider, der zum Preisrichterkollegium gehörte; Kurdirektor Eberhard v. Vondel; Manfred Barke, ein noch unbekannter, aber sehr ehrgeiziger junger Filmregisseur; der Geschäftsführer des Kurhauses, der auf den seltsamen
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