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Der verkaufte Patient

Titel: Der verkaufte Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Hartwig
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Gesetzesformulierungen im Spiel gewesen seien.« Da spricht ein Insider.
Apropos Beraterverträge
     
    Zu den Zeiten, als die CDU noch auf den harten Bänken der Opposition saß, lieferte man sich einen harten Schlagabtausch mit dem Gesundheitsministerium in seiner Funktion als Aufsichtsbehörde der AOK. Die intelligenten Journalisten der Fernsehsendung FAKT waren der AOK im Februar 2004 auf die Spur gekommen. Es musste in den Jahren 2000–2003 saftige Beraterverträge ohne Ausschreibung gegeben haben – und zwar im Volumen von ca. 50 Millionen Euro. Entdeckt wurde es, weil den Journalisten ein internes Papier aus dem Jahr 2000 in die Hände gefallen war: FAKT: »Allein die Berater von McKinsey kassierten über 56 Millionen DM für ihre Dienste bei der Sanierung verschuldeter Kassen.« Und jetzt ging es gleich um die doppelte Summe und vielleicht noch viel mehr. Eine
Black Box
– nur dieses Mal mit Beteiligung der Bundesregierung.
    Im Raum stand immerhin der Tatverdacht der »Untreue«. Wer Gelder, die letztlich dem Bürger gehören, bewusst an den strengen Vergaberichtlinien vorbei irgendwelchen »Freunden« zuschustert, veruntreut Geld und handelt kriminell. Die FAKT-Leute verbreiteten keine heiße Luft; sie hatten gutrecherchiert. So konnten sie sogar ein Schreiben eines AOK-Verwaltungsrates vorlegen, dem der Kragen geplatzt war. Der Mann hatte sich an die aufsichtsführende Bundesministerin Ulla Schmidt gewandt und geschrieben: »… Hinzu kommt, dass weder die IT-Leistungen – mit einem Kostenvolumen von mehreren hundert Millionen Euro – noch die Beratungsleistungen (…) ausgeschrieben worden sind und deshalb massiv gegen geltendes Recht verstoßen.«
    Ein gefundenes Fressen für die damalige Opposition. Es entfaltete sich daraufhin ein gepflegtes parlamentarisches Hickhack mit einer »Kleinen Anfrage zur Vergabepraxis …« (Bds 15/2356) und hinhaltenden Antworten der Bundesregierung. Schließlich konstatierte der Bundestagsabgeordnete Austermann:
»Wenn man sich die Dimension anguckt und die Auswirkungen auf die Beitragszahler, dann kann nicht gerechtfertigt und nicht geduldet werden, dass man hier Rechtsverstöße offensichtlich stillschweigend zur Kenntnis nimmt. Ich denke, dass das Parlament die Frage stellen muss, ob die Gesundheitsministerin hier ihre Rechtsaufsicht ordentlich wahrgenommen hat, und wenn das nicht der Fall ist, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Wir können das nicht akzeptieren, dass diejenigen, die im Amt sind, ihr Amt nicht wahrnehmen oder so wahrnehmen, dass es zum Schaden der Beitragszahler geschieht.«
    Die Gesundheitsministerin heißt noch immer Ulla Schmidt. Nur sitzt die damalige Opposition heute mit im Boot. Sie hat auch schon das Bundesversicherungsamt, die Aufsichtsbehörde der bundesweit tätigen Kassen, mit einem der Ihren besetzt. Von weiteren Konsequenzen in dieser Geschichte habe ich dennoch nichts vernommen.
Wo das Geld hinwandert
     
    Wer sich etwas mit den Strukturen der Geldverteilung bei den gesetzlichen Krankenkassen vertraut macht, erkennt die ökonomische Hinterfütterung des großen Umbaus. Betrug der Anteil der Gesamtausgaben der GKV für ambulante ärztliche Behandlung anno 1970 noch 22,7 %, so war er anno 2005 auf 15,04 % zurückgegangen. Im gleichen Zeitraum wird für Krankenhausbehandlung von 1970 25,2 % bis 2005 ein Zuwachs auf 34 % ausgewiesen.
    Zusätzlich muss noch berücksichtigt werden, dass über die duale Finanzierung weitere Milliarden aus Steuermitteln in den stationären Bereich fließen, nicht eingerechnet die Milliarden Euro von Nachzahlungen, mit denen die Träger die rein aus dem laufenden Betrieb resultierenden Defizite ausgleichen müssen. Aber das ist noch nicht alles. Jeder Kenner der Materie weiß von der forcierten Leistungsverlagerung aus dem stationären in den ambulanten Versorgungsbereich, z. B. über ambulantes Operieren, Chemotherapie usw. Zu Deutsch: Was früher die Kliniken machten, wird nach draußen geschoben. Die draußen kriegen aber nicht mehr Geld dafür. In den Krankenhäusern fehlt es auch. Um kostendeckend mit den knappen Fallpauschalen auszukommen, müssen sie – so der zynische Jargon – die frisch operierten Patienten »blutig raushauen«, die von den Kollegen draußen für einen Apfel und ein Ei weiterbehandelt werden sollen. So werden die einen gegen die anderen ausgespielt.
    Den freien, niedergelassenen Ärzten wird übel mitgespielt. Zwar gibt es in der Gebührenordnung festgelegte Honorare für

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