Der verkaufte Patient
– mithin auch die inflationären Wucherungen der Krankenkassen: 1. Jeder Angestellte wünscht die Zahl seiner Untergebenen, nicht jedoch seiner Rivalen zu vergrößern. 2. Angestellte schaffen sich gegenseitig Arbeit.
Blühende Black Box
Wenden wir diese weisen Einsichten auf das Wettbewerbsstärkungsgesetz an, so kann es nicht ausbleiben, dass in jeder einzelnen Kasse blühende Kulturen entstehen: Aufwand, der verwaltet werden muss, Hierarchien, die aufgebaut, und Besitzstände, die gewahrt werden müssen. Kassenfürsten brauchen Unterkassenfürsten, diese Unterkassenfürstenzuarbeiter und diese wiederum Unterkassenfürstenzuarbeiterassistenten, die mit emsigem Aufwand nachweisen müssen, dass der Posten, den sie gerade einnehmen, von nachgerade unersetzlicher Bedeutung für das Ganze, darum anstrengend, darum allein nicht zu packen ist. Da Behörden sich nach innen durch die Menge der Arbeit definieren, die sie nach außen verteilen, entstehen so fixe Ideen wie Qualitätssicherung für Zweipersonenpraxen oder genial-komplexe Abrechnungssysteme, die so abgefahren sind, dass sie selbst durch Computerleistung niemals umgesetzt werden können. Natürlich kostet das Ganze auch Geld. Nach diesem Schema konntensich gesetzliche Krankenkassen in der
Black Box
staatlicher Nichtkontrolle nach Belieben entfalten und Strom fressen. Nie, nie hatte man je vernommen, dass eine Krankenkasse in Insolvenz geht. Im Notfall kann eine Krankenkasse ja alle Geldhähne zudrehen, außer den einen, mit dem sie sich selbst am Leben erhält.
Wie ein Kulturschock muss daher die Nachricht in die heile Welt der Kassen eingebrochen sein, mit Einführung des Gesundheitsfonds sollte auch die Haftungsfrage im Fall einer Insolvenz einer gesetzlichen Krankenkasse geklärt werden. Was? Insolvenz? Wo gibt es denn so was? Der weitsichtige Gesetzgeber führt uns mit sanfter Hand ans Unaussprechliche. Nur mal so hypothetisch! Letztlich müsse – einer muss ja! – der Beitragszahler für eine in die Pleite gegangene Kasse haften, so die jüngste Eingebung der Bundesregierung.
Was steckt dahinter? Die Kassen sollen sich gegenseitig Wettbewerb machen. Wettbewerb heißt: Es gibt Gewinner und Verlierer. Einige werden nicht nur draufzahlen – sie werden ganz plattgemacht werden. Verluste sollen künftig aber letztlich alle Versicherten tragen. Dies geht so: Verschuldet sich etwa die AOK Berlin, müssen zunächst die übrigen Ortskrankenkassen das Defizit ausgleichen. Sind diese nicht dazu imstande, werden alle 220 Kassen zum Verlustausgleich herangezogen. Das bedeutet: Alle Beitragszahler müssen bluten, wenn Kassenvorstände mit dem treuhänderisch gegebenen Geld nicht umgehen können. Und wieder haben sich die Gesundheitsministerien in Bund und Ländern ihrer Verantwortung entledigt. Sie müssten durch ihre Aufsicht garantieren, dass eine Kasse nicht in die roten Zahlen rutscht.
Aber vielleicht kommt ja kurz vor diesem unangenehmen Moment der Wahrheit – er kommt ja nie, ist nur mal so rein hypothetisch gedacht – der liebe Herr Kaiser von »Kaiser Permanente« und macht ein nettes Übernahmeangebot.
Da würden doch alle aufatmen – oder?
KAPITEL 9
Pünktchen sammeln – oder:
Eigene Währung für Ärzte?
M it keiner Frage erntete ich bei Ärzten mehr lächelndes Unverständnis als mit folgender: »Sagen Sie mal, wie viel verdienen Sie eigentlich?« So kann nur ein blutiger Laie fragen. Kein Arzt weiß es, kein Arzt kann es wissen. Warum? Weil er zu einem Abrechnungssystem gezwungen wird, das an Intransparenz mit nichts verglichen werden kann. Nicht nur, dass der Arzt nicht weiß, was er verdient. Auch der Patient weiß nicht, wie der Arzt von der Kasse für seine erbrachte Leistung honoriert wird.
Wetten, dass …?
Das sage nicht nur ich. Eine Organisation wie
Transparency International
fordert: »Transparenz für die Patienten: Sämtliche Verträge, nebst Anlagen und Protokollnotizen, Nachverträge, rückwirkende Vereinbarungen, Schiedsentscheidungen müssen eingesehen werden können. Bisher sind weder Kassenärztliche/Kassenzahnärztliche Vereinigungen noch Krankenkassen verpflichtet, Patienten und Beitragszahler (also Arbeitnehmer und Arbeitgeber) über die bestehenden Verträge auf Landes- bzw. Bundesebene in Kenntnis zu setzen. Die Versicherten sind zwar zur Beitragszahlung verpflichtet. Es werden ihnen aber keinerlei Rechte bei der Entscheidung über deren Verwendung eingeräumt …«
Mein Vorschlag für »Wetten, dass
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