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Der verkaufte Patient

Titel: Der verkaufte Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Hartwig
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lohnt, noch etwas in Sie zu investieren. Das steht da natürlich nicht so, sondern in einer Verklausulierung, die dem »Lesekundigen« sagt, was er wissen will. Aber damit nicht genug. Gespeichert sind auch eine Fülle von Angaben über Ihre persönlichen Umstände, ihre familiäre, Ihre berufliche, Ihre finanzielle Situation, Ihre Krisen und Abstürze – eben alles, was man dem Arzt seines Vertrauens so auf die Seele bindet.
    Und nun kommen Menschen ja nicht immer in bester Verfassung zum Arzt. Sie haben beispielsweise ein Alkohol- oder Drogenproblem. Sie sind fremdgegangen und unterziehen sich nun aus Angst einer HIV-Untersuchung. Sie haben vielleicht eine Erkrankung, die ihren Arbeitgeber, ihre Versicherung, ihre Bank nichts angeht. Es gibt Dinge im Leben, die so persönlichsind, dass man sie nur zwei Gruppen von Menschen offenbart: Priestern und Ärzten. Es gibt ja das Beichtgeheimnis und die ärztliche Schweigepflicht. Rede mit deinem Arzt, sagen wir, ihm kannst du alles anvertrauen! Er schweigt wie ein Grab.
Ärzte sind die Hüter unserer Daten!
     
    Die ärztliche Schweigepflicht, die so alt ist wie die ärztliche Ethik und schon im Eid des Hippokrates eine bedeutende Rolle spielt, begründet bis heute eine fundamentale Pflicht für den Arzt zu Verschwiegenheit. Er kann zivil- und standesrechtlich auf das schärfste belangt werden, wenn er Vertrauensmaterie aus dem Arzt-Patienten-Verhältnis an Dritte weitergibt. Ihm drohen Gefängnis und Berufsverbot. Andererseits schützt ihn der Gesetzgeber auch: Er hat ein klar definiertes Aussage- und Zeugnisverweigerungsrecht. Ärztliche Schweigepflicht – das würde man heute vielleicht »ärztliche Datenschutzverpflichtung« nennen. Und Ihnen wird deutlich, was das Ganze mit dieser schönen neuen E-Card von Frau Schmidt zu tun hat.
    Die E-Card ist nach meiner Einschätzung der
entscheidende Treiber
, warum momentan die freien, niedergelassenen Ärzte so brachial niedergemacht werden (Ulla Schmidt: »Es muss endlich Schluss sein mit der Ideologie der Freiberuflichkeit«): Die Ärzte sitzen auf den Daten.
    Ich kann den freien, niedergelassenen Ärzten immer wieder nur zurufen: »Werden Sie sich bewusst, dass Sie einen Schatz besitzen. Dieser Schatz heißt ›Daten‹! Achten Sie darauf, dass Sie in keiner Weise das Arztgeheimnis aus der Hand geben! Das ist Ihr ganzes Kapital – und übrigens auch Ihr letztes und einziges Machtmittel! Solange Sie die Daten hüten, sind Sie ein Faktor, stehen Sie auf der Agenda, sind Sie ein Objekt der Begierde. Wenn Sie die Daten abgeben, sindSie nur noch Pipifax für das mahlende Ungetüm der Gesundheitsindustrie. Wenn Sie es zulassen, dass irgendeine Stelle außerhalb Ihrer Praxis an die Daten herankommt, die nur Sie und Ihre Patienten etwas angehen, haben Sie verloren. Dann verkaufen Sie uns Patienten und sich selbst. Dann können Sie gehen! Über das Thema ›Qualitätssicherung‹ und auf tausend andere Weisen versuchen externe Stellen in das heiße Herz der freien Praxen vorzustoßen. Die Industrie will mit aller Gewalt an die Daten heran, die Ärzte mit dem Grundgesetz im Rücken verteidigen – und hoffentlich mit Zähnen und Klauen! Liebe Ärzte – Sie sind die
Hüter unserer Daten!
Vergessen Sie das nie!«
Ulla Schmidt gegen das Grundgesetz
     
    Viele Ärzte wissen noch nicht, in welchen Konflikt sie bereits geraten sind oder binnen kurzem geraten werden: Ärzte, die Hüter unserer Daten, werden sich neu mit dem Thema »ärztliche Schweigepflicht« auseinandersetzen müssen. Notfalls werden wir Patienten sie daran erinnern, äußersten Notfalles sogar auf dem Klageweg. Mit Hilfe der elektronischen Gesundheitskarte ist bundes-, später europaweit geplant, alle Krankheitsdaten via Internet und einer Online-Telematik-Platt form in Zentralservern direkt bei den Krankenkassen zu speichern. Wie diese politische Absicht mit dem Grundgesetz in Deckung zu bringen ist – darauf bin ich gespannt. Ulla Schmidt gegen das Grundgesetz: Wer wird da wohl den Kürzeren ziehen?
    Die Politiker, die sich einen Durchmarsch in Sachen E-Card versprochen haben, sollen sich wappnen. Bürger und Patienten wachen gerade auf. Sie entstauben ihr Grundgesetz. Mit Argusaugen werden sie jede Maßnahme prüfen, ob sie nicht insgeheim zum Abbau unserer bürgerlichen Freiheiten beiträgt. IT ist Alltag, häufig genug prekärer Alltag. Millionenvon Menschen wissen mittlerweile, was »Daten« bedeuten, was man damit machen kann, wie man nicht nur Kunden- und

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