Der verkaufte Patient
Datenschützer, Patienten oder die geballte deutsche Ärzteschaft – es kümmert die verschworene Phalanx der Gesundheitskartler nicht. Das Ungetüm ist nun einmal angeschoben, es rollt und walzt alles platt, was sich ihm in den Weg stellen will. Wo immer irgendein skeptischer Bürger auch nur einen Hauch von Kritik an dem heranrollenden milliardenteuren Monsterprojekt zu äußern wagt – bereits die Projektphase der Gesundheitskarte hat Unsummen verschluckt –, wird er mit Brachialgewalt weggeblasen: »Fakt ist …, die elektronische Gesundheitskarte wird kommen. Daran führt kein Weg vorbei«, mandelte sich Dr. Monika Stolz (CDU), Ministerin für Arbeit und Soziales in Baden-Württemberg, bereits im April 2006 auf. Ein CDU-Bundestagsabgeordneter setzte im Dezember 2007 anlässlich einer Podiumsdiskussion in Aalen zum Thema E-Card – der Ärzteverband Medi hatte ihn organisiert – noch ein demokratisches Highlight obendrauf: »Egal was sie diskutieren, egal was sie sagen, die E-Card kommt, das ist beschlossen, basta!«
Die verantwortlichen Politiker und Funktionäre, welche die Weichen in Richtung Gesundheitskarte gestellt haben, haben auch allen Grund, so zu tun, als seien alle Einsprüche Unsinn, als sei jeder Widerstand zwecklos und als bliebe allen Beteiligten nur die Resignation vor einer fertigen Wirklichkeit. Die Sachlage ist: Die gesundheitspolitisch Handelnden haben hinter den Kulissen bestimmte Verträge abgeschlossen undweitreichende, ökonomisch bindende Aufträge erteilt, die eine klar definierte Wirklichkeit herbeiführen
sollen
.
Das Ganze hat nur einen kleinen Schönheitsfehler. Die Bürger ahnen noch nicht, was auf sie zukommt. Das Stück ist fixfertig inszeniert. Die Akteure sind engagiert. Ein Heidengeld ist ausgegeben. Die Beleuchtung ist montiert. Jetzt zittert die Theaterleitung, dass nicht irgendeiner daherkommt und das Publikum zu einer Preview-Vorstellung einlädt. Dann könnte es nämlich sein, dass das Stück noch im letzten Moment aus dem Programm genommen werden muss.
Bitte – wenn sich sonst keiner findet –, ich übernehme gerne die Rolle des Vorführers. Hier sehen Sie die Preview-Vorstellung zum Projekt »elektronische Gesundheitskarte«.
Der Deal mit den Daten
Die Politiker schreien: »Die Gesundheitskarte kommt. Todsicher!« Ich sage: »Und sie kommt
nicht
. Kein Patient wird sich das gefallen lassen!« Patienten brauchen nur ein bisschen ungefilterte Information – und sie werden die Gesundheitskarte als das durchschauen, was sie ist:
Die E-Card ist das Instrument der individualisierten Machtübernahme über den Patienten durch die Möglichkeit zum universalen Abgriff aller seiner relevanten Daten
.
Nichts ist in der IT-Gesellschaft kostbarer als Daten. Daten sind das Gold der technisierten Welt. Wer die Daten besitzt, kann alles machen. Kein Investor muss mehr Autofabriken kaufen – das ist Business von gestern. Er braucht nur Daten und Lizenzen, dann laufen irgendwo die Teile vom Band. Wenn der Patient die Ware ist, die gehandelt wird – so viel dürfte klar sein –, dann interessiert internationale Investoren nur eines: Daten, Daten, Daten! Wer die Daten hat, hat die Macht. Um das geht es –
den Deal mit den Daten
. Nur darum.
Vielleicht werden Sie fragen: Wen könnten denn meine kleinen Gesundheitsdaten interessieren, mein Geburtsdatum, mein Geschlecht, meine Rückenprobleme, mein Schnupfen, meine Rezeptverordnungen? Datenspezialisten lächeln über so viel Naivität. Aus der Summe und der Kombination vermeintlich belangloser Details lesen sie alles. Sie erstellen für interessierte Unternehmen ein hochdifferenziertes Kundenprofil, das 1 : 1 in eine Strategie eingeht, wie Sie mit Produkten und Dienstleistungen bedacht – man könnte auch sagen: umfassend geschröpft – werden.
Und nun stellen Sie sich vor: Die neue »Gesundheitskarte« – auch das ein bedenkenswertes Stück Neusprech – wird zum Schlüssel für Ihre gesamten Gesundheitsakte. Und was ist da nicht alles versammelt: Art und Anzahl Ihrer Erkrankungen, welche Anamnesen da sind, wann, wie, wo, welche Diagnosen stattgefunden haben, zu welchen Ergebnissen die jeweiligen Untersuchungen führten, dazu Röntgenaufnahmen, Vermerke, dann, welcher Aufwand mit Ihnen getrieben wurde über die ganzen Therapien hinweg und so weiter. Gespeichert sind auch psychische Auffälligkeiten und – hochprekär – Prognosen und Einschätzungen – zu Deutsch: wie lange Ihnen der Doktor noch gibt und ob es sich
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