Der verkaufte Patient
Überbürokratisierung, Ausbeutung, Unterbezahlung und Knebelparagraphen (wie 95b SGB V) den gewünschten Hausarztschwund. Und der teuer ausgebildete Nachwuchs wird verprellt. Die Honorar- und Arbeitsbedingungen sind für junge Ärzte unannehmbar. Zu Tausenden fliehen sie ins Ausland oder in die Arme der Pharmaindustrie.
Was der Schulterschluss zwischen Arzt und Patienten ist …
Allein in den ersten zwei Wochen einer Unterschriftenaktion haben sich in Bayern eine halbe Million Bürger(innen), Patienten(innen) gegen diese Politik der gezielten Wegrationalisierung der Hausärzte ausgesprochen und sich mit den Ärzten solidarisiert. Wir Patienten wollen keine MVZ und keine Polikliniken; wir legen bei Callcenter-Anrufen den Hörer auf und reden nicht mit Case Managern; wir lassen unsere Daten nicht per Gesundheitskarte verbreiten und verweigern unser Konterfei; wir wollen endlich präzise wissen, was in den Kassen mit unseren Beitragsgeldern passiert und wo diese Gelder bleiben. Wir wollen auch keinen Börsengang unserer Gesundheitseinrichtungen; wir wollen schlicht
unseren Arzt
behalten! Wir wollen nicht, dass unsere Ärzte in Bürokratie und Arbeit ersticken und für unsere Behandlung einen Hungerlohn bekommen!
Wir Patienten werden an der Seite der Ärzte bleiben und den Kampf bis zum Ende ausfechten – wenn nur die Ärzte den Mumm haben und vor der Drohkulisse nicht wegknicken! Wir haben verstanden, dass der Schulterschluss zwischen Patient und Arzt mehr ist als ein Stück Solidarität mit einem bedrohten Berufsstand. Er ist die Artikulation von wehrhafter Demokratie. Er ist Zivilcourage und ein Dokument kreativen Ungehorsams. Er ist aktiver Widerstand gegen die jämmerliche Resignation der Politik vor dem Ansturm der Konzerne. Er ist das NEIN zu amerikanischen Verhältnissen im deutschen Gesundheitswesen. Informierte Patienten lassen sich nicht länger desinformieren. Und sie lassen sich schon gar nicht am Gängelband in die Ausplünderung führen.
Sie fordern das, was ich
Patientenmedizin
nenne: therapeutisches Handeln, das auf dem nicht weiter kommerzialisierbaren Vertrauensverhältnis zwischen einem freien Patienten und einem freien, ethisch verantwortungsvollen Arzt basiert. Alles andere ist Dreingabe.
KAPITEL 11
Der organisierte Datenangriff auf den Patienten – oder: Was hinter der elektronischen Gesundheitskarte steckt
K licken Sie doch einfach einmal auf www.die-gesundheitskarte.de ! Mit ihrem strahlendsten Lächeln blickt Ihnen Ulla Schmidt entgegen und wirbt um Ihr Vertrauen: »Die elektronische Gesundheitskarte ist ein wichtiges Instrument zur Verbesserung der Lebens- und Versorgungsqualität der Patientinnen und Patienten.« 80 Millionen Patienten in Deutschland sollen in Zukunft statt einer Versichertenkarte eine Gesundheitskarte erhalten – vom Baby bis zum Greis. Die Homepage verbreitet Optimismus pur: »Mit der Einführung (dieser E-Card) wird die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems in Deutschland einen entscheidenden Schritt weiterkommen.«
Dieser Auffassung bin ich allerdings auch. Es gibt im Leben immer den
einen entscheidenden Schritt
. »Treten Sie doch bitte noch ein Schritt zurück«, sagte der Fotograf in der Sekunde, bevor ich in die Schlucht stürzte.
Frank und frei gesagt, halte ich den Versuch der Einführung der Gesundheitskarte für die größte Ungeheuerlichkeit der mit Ungeheuerlichkeiten nur so gepflasterten deutschen Gesundheitspolitik. Ich stehe nicht allein da. Der Deutsche Ärztetag in Münster hat die E-Card im Mai 2007 nüchtern, entschieden und ohne jeden Schaum vor dem Mund abgelehnt. »… den Ärztinnen und Ärzten geht es bei ihrem Widerstand gegen die Einführung der E-Card nicht um materielle Interessen, sondern um die Sicherung ihres ärztlichen Entscheidens und Handelns in einem von Vertrauen geprägten Verhältnis zu ihren Patientinnen und Patienten.« Bürgerrechtsorganisationen,Datenschützer, Patienten- und Ärzteverbände haben sich zum Stopp des Projekts elektronische Gesundheitskarte zu einem Bündnis zusammengeschlossen. Dem Bundesministerium für Gesundheit und der Betreiberorganisation Gematik scheint das völlig egal zu sein. In Kreisen von IT-Beobachtern ist es ein offenes Geheimnis, dass alle regionalen Tests verheerende Mängel offenbart haben. Auch das kümmert sie nicht. Frank Rosengart vom
Chaos Computer Club
bringt es auf den Punkt. Derzeit sehe es so aus, als ob »mit technischen Mitteln Fakten geschaffen würden«!
Ob
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