Der verkaufte Patient
ist viel GeldzuHause – und zwar in zwei Töpfen: im öffentlichen Topf und in privaten Säckeln. Die öffentliche Hand betreibt gerade Gesundheitspolitik nach dem Motto: Mehr Geld ins Sieb!
Ich finde, man sollte das Sieb durch einen Topf ersetzen. Wenn die Durchlässigkeit der Auffangvorrichtungen beseitigt wird, wenn vor allem nicht jeder nach Herzenslust daran bohren darf, haben wir Geld ohne Ende für ein solidarisch und sachgerecht organisiertes Gesundheitssystem.
Wir haben die Verantwortung für unsere nächste Generation. Es geht mir um unsere Kinder und Enkelkinder. Aus diesem Grund muss dieses Thema diskutiert werden.
Nach der Fernsehsendung »Bürgerforum«, bei der ich gegen Healthways zu Felde zog, wurde ich vom DAK-Chef Bayern, Herrn Erbe, telefonisch kontaktiert. Wir hatten ein langes, ausführliches Telefonat. Er lud mich ein, mit ihm und mit Herrn Klein von Healthways ein Gespräch zu führen. Zwischen den einzelnen Sätzen blitzte dieser Ton auf, den ich aus anderen Zusammenhängen bereits kenne: »Unsere Juristen meinen …«
Scheinbar habe ich mich uneinsichtig gezeigt, denn seither sind freundliche Herren von der AOK, DAK und anderen Kassen meine ständigen Begleiter bei Vorträgen. Manchmal steht einer auf, ein Mutiger, er setzt sich aber bald wieder, wenn er im Stehen die gefühlte Welle öffentlicher Antipathie anbranden sieht. Ein regionaler Kassenchef wirkte am Telefon etwas angezählt und ließ sich den Seufzer entlocken: »Frau Hartwig, Sie ziehen in Bayern eine Spur der Verwüstung hinter sich her!« Darauf ich: »Fairerweise muss ich Ihnen sagen: Ich spreche auch bereits in anderen Bundesländern!«
Das neue Netzwerk
Wohin die Reise geht, sieht man, wenn man sich dieses Unternehmen Healthways einmal genauer anschaut. Wer Healthwayseinkauft, kauft nicht nur Callcenter-Dienstleistun gen ein, die arme deutsche Diabetiker im Auftrag der Krankenkasse nerven. Zwischen Healthways und GlaxoSmith-Kline Consumer Healthcare, einem der weltweit führenden pharmazeutischen Unternehmen, besteht eine strategische Partnerschaft. Healthways gab im November 2007 bekannt, dass man mit GSK Consumer Healthcare in bestimmten Projekten zusammenarbeitet: Es werden GSK-Medikamente und Dienstleistungen von Healthways, die auf bestimmte Verhaltensänderungen bei Risikogruppen abzielen, kombiniert, und zwar bei zwei der bedeutendsten Risikofaktoren für chronische Erkrankungen: bei Übergewicht und Nikotinkonsum. Kurz: Healthways und GSK arbeiten in den USA in Sachen Übergewicht und Raucherentwöhnung zusammen.
Was bedeutet das für das Engagement von Healthways in Deutschland? Fakt ist: Healthways betreibt Callcenter in Deutschland. Fakt ist auch: Die DAK hat einen Vertrag mit Healthways und liefert die relevanten Patienten zur »Betreuung« und Verhaltensänderung an das börsenorientierte Unternehmen. Dieses wiederum hat eine strategische Partnerschaft mit Glaxo, einem der weltweit führenden Pharmaunternehmen. Gegenstand ihrer beiderseitigen Absprache ist die koordinierte »Betreuung« von chronisch Kranken, insbesondere Übergewichtigen und Rauchern. Warum investiert Healthways in Deutschland? Aus reiner Leidenschaft am Telefonieren? Oder nicht doch eher, um ein Geschäftsmodell, das in Amerika wunderbar funktioniert, zu internationalisieren? Ein Schelm, wer Böses denkt.
Die DAK hat nicht funktioniert. Es ist etwas durchgesickert. Der Hausärzteverband hat »gepetzt«. Die Leute wollen das Ding mit Healthways und den Callcentern nicht. Und prompt geht der Kampf in die nächste Runde. Mitte April wirft Dr. Michael Klein von Healthways dem Bayerischen Hausärzteverband »Antiamerikanismus« vor.
In einem Brief an Landtagspolitiker schreibt er:
»(…) Das oben skizzierte Programm wurde zunächst für Versicherte der DAK in Bayern und Baden-Württemberg gestartet. lm Vorfeld hat die DAK die jeweils zuständige Kassenärztliche Vereinigung über das Projekt ausführlich informiert. (…) Ohne Skrupel wärmt der Bayerische Hausärzteverband radikales Gedankengut auf, das wir für überwunden hielten. (…)«
Davon ließen sich die Ärzte nicht provozieren; in der Presseerklärung des Hausärzteverbandes hieß es freundlich, jedoch bestimmt:
»Im Übrigen kann man auch ein Freund Amerikas sein, ohne dessen Heuschrecken-Hedge-Fonds und dessen Gesundheitssystem zu lieben!«
Inzwischen wurden meine Recherchen bestätigt. Auf einem Aktionstag des Hausärzte Plus e. V. am 14. Juni 2008 im Kino
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