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Der verkaufte Patient

Titel: Der verkaufte Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Hartwig
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leistet.«
    Blicken wir wieder nach Amerika – in unsere Zukunft also. Michael Moore wurde gefragt: »Wie wurden Sie überhaupt auf die Thematik aufmerksam?« Moore antwortete: »1999 hatte ich in Amerika eine TV-Show namens ›The awful truth‹ (Die schreckliche Wahrheit). Damals stießen wir auf einen Mann, der laut seinen Ärzten eine lebensnotwendige Bauchspeicheldrüsentransplantation benötigte, sie aber von seiner Versicherungsgesellschaft einfach nicht bewilligt bekam. Also spielten wir seine Beerdigung live auf dem Rasen der ›Humana Health Care Company‹ nach. Und siehe da, drei Tage später entschied man sich, ihm die Transplantation zu bewilligen. Damals war ich tief beeindruckt, dass wir es mit einer Kamera geschafft hatten, einem Mann das Leben zu retten. Ich begann zu überlegen, was man darüber hinaus tun könnte. So kam die Idee von ›Sicko‹ nach und nach zustande.« Ganz so weit sind wir in Deutschland noch nicht. Aber auch bei uns müssen die wirklich Bedürftigen gegen ihre systematischeMarginalisierung im Gesundheitswesen kämpfen. Die Langzeitkranken, die Alten und die behinderten Menschen – schon heute müssen sie an den abweisenden Portalen der Krankenkassen um Medikamente, Anwendungen und Heilmittel betteln und empörende Hürden nehmen, bis sie fair behandelt werden.
    Anders als in seinen anderen Filmen vermied es Michael Moore in »Sicko«, die Mächtigen zur Gaudi seiner Fans bloß vorzuführen und unmöglich zu machen. Ein ernster Michael Moore wollte seinen Zuschauern »nicht mehr das Gefühl geben …, dass sie sich so ruhig in ihren Stuhl zurücklehnen und mir zuhören können, während ich den Obrigkeiten ans Bein pinkle«; stattdessen »begann ich mir Gedanken darüber zu machen, was wir tun müssen, damit das amerikanische Volk endlich aufsteht und selbst etwas tut. Das geschieht definitiv nicht, wenn sie das Gefühl haben, dass ihnen jemand anders bereits die Arbeit abnimmt. Daher ist ›Sicko‹ ein Aufruf zum Handeln!« Der gleiche Gedanke keimte und reifte in mir – und ich begriff, Amerika ist hier. Wir haben keine Zeit mehr, uns zurückzulehnen und das deutsche Gesundheitssystem von Reform zu Reform tiefer zerstören zu lassen. Mich tröstete die Zuversicht, mit der Michael Moore an die Leute in den USA dachte: »Ich habe großes Vertrauen in das amerikanische Volk. Die Bevölkerung wird sich nicht noch einmal so täuschen lassen, wie es Bush in den ersten Jahren seiner Amtszeit gelungen ist.«
    Ja, sagte ich mir, das muss auch hier möglich sein im konservativen, obrigkeitshörigen, harmoniesüchtigen, konsensversessenen Deutschland. Mein Entschluss zum Widerstand gegen die Grundoptionen der sogenannten Gesundheitsreformen reifte letztendlich im Kinosessel –
gegen
den Gesundheitsfonds,
gegen
die Gesundheitskarte,
gegen
die Vision von der Integrierten Versorgung (die nichts anderes als eine lückenlose Wertschöpfungskette am Patienten ist),
gegen
die gezielte Schwerpunktverlagerung weg von der Patientenmedizin,hin zur quasiindustriellen Fließ bandmedizin,
gegen
die schrankenlose Privatisierung und universale Kommerzialisierung des Gesundheitswesens …
Wohin zum Lernen?
     
    Wenn ein Gesundheitssystem in der Krise steckt – was würden Sie dann als Erstes tun, wenn Sie Politiker wären? Was Sie tun, weiß ich nicht. Wenn ich Politiker wäre, würde ich mich als Erstes einmal in vergleichbaren Gesellschaften umtun, ob es da analoge Probleme und natürlich auch ob es (sach)gerechtere, bessere Lösungen als bei uns gibt. Mich würde beispielsweise interessieren, warum in Deutschland schon eine eigene Agentur existiert, die deutsche Ärzte für Kurzzeiteinsätze (beispielsweise übers Wochenende) nach Großbritannien vermittelt. Es gibt freie, niedergelassene Ärzte, die ohne dieses Zubrot von der Insel ihre Praxen schließen müssten. Ist dort auf der Insel alles besser? Wenn ja, warum? Warum blicken unsere Hausärzte sehnsüchtig nach Irland? Nach den neuesten Informationen aus Irland ist damit zu rechnen, dass unsere Hausärzte in Scharen auswandern. Gerade wurde dort die Rolle der Hausärzte im staatlichen Gesundheitswesen gestärkt. Ein Hausarzt in Irland verdient ein Vielfaches dessen, was die Ärzte verdienen, die uns hier im Krankheitsfall betreuen. Therapeutische und diagnostische Leistungen, für die Patienten vor Jahren noch in die Klinik gingen, werden heute in den Praxen erledigt. Das spart Steuergelder. »Hausärzte arbeiten nun mal preiswerter als

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