Der verkaufte Patient
Mühldorf erläuterte Gerhard Eiselen von der Healthways GmbH: »Wir sprechen chronisch erkrankte Menschen an, die entweder eine chronische Lungenerkrankung haben oder Diabetes mellitus oder eine chronische Herzkrankheit.« Jemand aus dem Publikum wollte wissen: »Woher wissen Sie, dass die das haben?« Gerhard Eiselen: »Die Daten, die wir dafür kriegen, kriegen wir von der DAK.« Na also! Da ist sie ja, die Wahrheit, mit der die DAK nicht herausrücken wollte.
Kein DAK-Patient hat bei seiner Unterschrift unter das neue DAK-Programm erfahren, dass seine Daten an das amerikanische Dienstleistungsunternehmen weitergereicht werden. Für mich ist das arglistige Täuschung.
KAPITEL 13
Der Angriff der Killerbienen – oder: Amerikanische Verhältnisse im Kommen
N ein, sie wissen von nichts. Alles Erfindung! Böswillige Nachrede! Science-Fiction! – Amerikanisierung unseres Gesundheitswesens – wer will denn so was? Seit geraumer Zeit fassen Kritiker die strategische Fokussierung unseres Gesundheitswesens im Stichwort »Amerikanisierung« zusammen. Ich stimme diesen Befürchtungen zu, nach Bedenkzeit und gründlicher Prüfung.
Was heißt das überhaupt – »Amerikanisierung«? Amerikanisierung heißt Kapitalgesellschaften. Eine Kapitalgesellschaft, sagt das Lexikon, ist eine Vereinigung von Menschen, die zum Zweck des Geldverdienens zusammenkommt. Vereinfacht gesagt: Menschen geben ihr Kapital in einen Topf und sagen einem Verwalter, einer Bank, einer Fondsgesellschaft: »Mach, dass es mehr wird!« Manchmal binden sie ihre Erwartung an ein bestimmtes Geschäftsfeld: »Schaff uns Geld mit Öl!« Manchmal schließen sie bestimmte Geschäftsfelder aus: »Wir wollen Rendite, aber nicht durch Kinderarbeit und Urwaldrodungen!« Meistens aber hat das Geld nur die eine Direktive: »Hauptsache viel – egal wie!«.
Sofern Sie Geld in »irgendeinem« Fonds angelegt haben, sind Sie mit von der Partie. Auch in Deutschland. Sie sind auch dort mit von der Partie (vielleicht ohne es zu wissen), wo Kapitalgesellschaften den Zukunftsmarkt »Gesundheit« in Deutschland entdeckt haben. »Verspricht geniale Rendite!«, sagen die Zukunftsforscher, die wichtigsten Souffleure der Banker.
Kapitalgesellschaften und Amerika – das steht für eine Gesellschaft, in der zentrale Bereiche des täglichen Lebensnicht mehr vom Staat geregelt werden, sondern vom freien Markt. Alle nur denkbaren Prozesse und Institutionen funktionieren renditegetrieben. Sie müssen etwas abwerfen, sonst werden sie abgetan. Über Fernsehprediger haben sich sogar »Kirchen« etabliert, die nichts anderes sind als Geldsammelmaschinen. Auch Gesundheit funktioniert in Amerika nahezu ausschließlich als ein Geschäft. Das heißt: Es gibt alles, sogar das Allerfeinste, aber nicht mehr für jeden. Alles ist Geschäft, und außerhalb des Geschäfts ist gar nichts.
Haufenweise Schnäppchenpreise
In Hinsicht auf Gesundheit heißt das: Gesundheit ist ein Geschäft wie Gastronomie: Da gibt es von Fast Food bis Bocuse alles. Wer kann, der kann. Wer nicht kann, hat eben keine Zähne mehr im Mund und keine Brille mehr auf der Nase, es sei denn eine soziale Organisation gibt dem armen Hund ein Almosen. 47 Millionen Menschen in den USA sind ohne Krankenversicherung. Oft ist es der Arbeitgeber, der sie bezahlt – und wer fliegt oder aus dem Business sortiert wird, hat von heute auf morgen keinen Versicherungsschutz mehr. Der Standard kennt keine Solidarität. Jede gesundheitliche Dienstleistung ist von kommerziellen Interessen bestimmt. Jeder Handgriff bringt Profit – oder er unterbleibt. Punkt. »Wenn sich diese Idee durchsetzt, kommen Zustände wie in den USA«, warnt ein Allgemeinmediziner und begründet es auch: »Dann geht es wegen der neuen Hüfte an Ihr Häuschen!«
In Deutschland macht sich kaum einer Gedanken, was das kostet – eine neue Hüfte. Dabei sind Hüften ja noch vergleichsweise günstig. Etwa 6900–8900 Euro sind fällig, nur für die Operation. Eine Hepatitis-Infektion (kann man sich ja durchaus mal einfangen) schlägt schon mal mit bis zu 250 000 Euro Behandlungskosten zu Buche – allerdings dannauchinklusive Lebertransplantation. Noch ein paar Zahlen? Blinddarm-OP gibt es schon für schlappe 1700–2300 Euro (immer ohne die pflegerischen Nebenkosten), auch günstig: Kaiserschnitt oder Gallenblasen-OP, macht so um die 2200 bis 3000 Euro; ärgerlich wird es bei einer Bypass-Operation, für die sollte man schon 10 000–15 000 Euro auf der hohen
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