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Der Verlobte

Der Verlobte

Titel: Der Verlobte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Sylvester
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Püster auch bei sich. Doch als sie ihn zur Hand nahm, inhalierte sie nicht ihr rettendes Medikament, sondern eine hohe Dosis Kohlendioxid.« Er sah mit forschendem Blick in die Runde. »Eine sehr hohe. Leopold fand die arme Veronika hinter dem Stall, tot.«
    »Paul hatte wohl doch keinen Bock, mit ihr durchzubrennen«, sagte Bert und deutete auf den leeren Platz neben Tillmann, auf dem noch immer das beschriftete Briefkuvert lag. »Weg ist er ja wohl trotzdem.«
    »Das ist doch Unsinn!« Der Großvater war sichtlich empört. »Woher willst du wissen, dass Paul weg ist? Sein Wagen steht doch draußen!«
    »Ja. Und er ist völlig zugeparkt«, triumphierte Bert. »Aber ein anderer Wagen fehlt!«
    »Das ist meiner«, sagte Onkel Leopold tonlos. »Den hat Fritz.«
    »Fritz, genau! Wo ist er eigentlich?«, fragte die Großmutter.
    »Er sammelt Clara ein«, sagte der Großvater verdrossen.
    »Mit meinem Wagen«, fügte Onkel Leopold matt hinzu.
    »Und wo steckt Paul?« Das war Bert. »Nicht, dass ich ihn vermissen würde …«
    »Vielleicht arbeitet er an einem Artikel und hat die Zeit vergessen.« Die Großmutter erhob sich. »Paul war schon immer etwas exzentrisch. Ich werde nach ihm sehen. Fangt ruhig schon mit dem Essen an.«
    Erneut senkte sich die Suppenstille vom Vortrag über die schmucke Tafel. Niemand sagte ein Wort. Alle schienen verzweifelt gegen ihre Appetitlosigkeit anzulöffeln.
    Bis Tante Lilo irgendwann herausplatzte: »Arme Veronika. Ich habe sie sehr gemocht.«
    Elisabeth hustete.
    »Ich auch«, sagte Bert. »Sie war irgendwie cool.«
    Lilly schluchzte leise und Tillmann griff kurz nach ihrer Hand. Die Finger waren kühl und fühlten sich fremd an. Schnell zog sie ihre Hand weg.
    Als der nächste Gang aufgetragen wurde, tuschelte ein Dienstmädchen mit Onkel Leopold. Mit einem entsetzten »Was?!!« sprang er vom Stuhl auf und verließ den Raum.
    Irritierte Blicke flogen über den Tisch. Nur Elisabeth zwinkerte Tillmann zu und zeigte ein Lächeln, das sie wohl für verführerisch hielt. Tillmann verdrehte unwillkürlich die Augen. Dieses Weibsbild war wirklich das Schlimmste von allen!
    Noch eine Spur würdevoller als sonst betrat die Großmutter bald darauf wieder den Speiseraum. Mit ausdrucksloser Miene stellte sie sich hinter ihren Stuhl. Augenblicklich sahen alle Anwesenden sie erwartungsvoll an. Sogar Bert verkniff sich eine Bemerkung.
    »Meine Lieben, ich muss euch eine weitere traurige Mitteilung machen«, sagte die Großmutter ernst. »Mein Patenkind Paul ist ebenfalls tot.«
    Einen Augenblick lang herrschte Totenstille. Selbst der über dem Anwesen tosende Sturm schien kurz innezuhalten. Und ganz plötzlich redeten alle in heller Aufregung drauflos.
    »Um Gottes Willen!«
    »Das ist ja der reinste Totentanz!«
    »Was ist denn passiert?«
    »Der arme Paul!«
    Selbst Tillmann ertappte sich dabei, wie er »Wie schrecklich!« dazwischenrief.
    »Ruhe jetzt!«, brüllte der Großvater. Sofort verstummten alle. Dann wartete der Hausherr ab, bis die Großmutter ihren Platz wieder eingenommen hatte, um zu fragen: »Untersucht Leopold noch die Todesursache?«
    »Nein.« Die Großmutter schüttelte den Kopf. »Die Todesursache ist nur allzu offensichtlich. Leopold ist auf der Toilette und übergibt sich.«
    »Wie bitte?« In Tante Lilos Stimme lag Empörung.
    »Na, er kotzt«, sagte Bert gereizt.
    Tillmann hörte Lilly leise neben sich würgen.
    Mama-Lou erhob ihr Weinglas. »Gott hab ihn selig, Paul, den einsamen Spötter!«
    Die Großmutter warf ihr einen verständnisvollen Blick zu und winkte ein Dienstmädchen heran. »Abräumen bitte. Und dann bringen Sie uns allen einen Schnaps!«
    Tillmann schluckte. Er hielt es für angemessen, sich Lilly zuzuwenden, um ihr ein wenig Trost zu spenden. Doch Lilly war wie erstarrt.
    Nachdem die Schnapsgläser verteilt und gefüllt worden waren, sagte der Großvater: »Lassen Sie die Flasche gleich da!« Schnell griff er danach, um seiner Tochter Louise zuvorzukommen. »Ich glaube, du hast schon genug«, beschied er sie.
    Mama-Lou kicherte kurz, verstummte aber sofort, als sie den Blick ihrer Mutter auffing.
    »Also, Paul wurde ganz offensichtlich …«, hob die Großmutter an. »Also, man hat ihm … Man hat ihm die Kehle durchgeschnitten.« Sie leerte ihr Schnapsglas.
    »Igitt!« Das war Elisabeth, die ihr unberührtes Schnapsglas wieder absetzte. »Das spritzt doch eklig!«
    »Danke, Elisabeth«, sagte die Großmutter missbilligend. »Dem habe ich nicht viel

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