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Der verlorene Sohn von Tibet

Der verlorene Sohn von Tibet

Titel: Der verlorene Sohn von Tibet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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bei Gendun stehen sah. Doch da war noch jemand, eine stämmige Fremde, an deren Arm sich das Mädchen klammerte, und neben ihr ein Mann, dessen freundliches, ehrliches Gesicht nach der langen Reise recht müde wirkte. Dawas Eltern waren eingetroffen.
    »Sie werden bleiben«, sagte Fiona. »Sie werden mir helfen, den Brennofen wiederaufzubauen, und dann wollen wir Töpfeund tsa-tsas herstellen, so wie früher, tsa-tsas für jedermann hier in den Hügeln.«
    Corbett war schnell von den Dörflern aus Bumpari umgeben, die ihm Speisen und Tee brachten. Diejenigen unter ihnen, die Chinesisch sprachen, erzählten ihm, man habe eines der Wohnhäuser für ihn saubergemacht, in das er nun einziehen könne. Der Amerikaner wirkte bei dieser Neuigkeit nicht überrascht, und Shan hörte ihn weder protestieren noch zusagen.
    Shan verließ die diskutierende Gruppe und setzte sich an den Rand der Schlucht.
    »Ich kann dir immer noch zeigen, wo diese Höhle liegt«, sagte eine heisere Stimme hinter ihm.
    Shan klopfte neben sich auf den Fels und lud Lokesh ein, dort Platz zu nehmen. »Die Ruhe wird mir guttun«, stimmte er ihm zu. »Aber erst muß ich noch meine Tasche aus der Stadt holen. Du könntest mir eine Wegskizze zeichnen.«
    »Ich werde hier sein, sobald du bereit bist, und bringe dich hin. Unterwegs möchte ich dir einen Berg zeigen, wo Risse im Fels die Zeichen des mani -Mantras bilden. Auf den Südhängen reifen Beeren.« Lokesh folgte Shans Blick zu den fernen Gipfeln und schien wie üblich seine Gedanken oder zumindest sein Herz lesen zu können. »Du hast ihn gefunden, Xiao Shan, und er hat dich gefunden. Dies ist nicht das Ende. Es ist ein Anfang.«
    »Er hat mich nach den Gebetsstengeln gefragt«, sagte Shan. »Ich habe ihm gezeigt, wie man sie benutzt.«
    Die Augen des alten Tibeters erstrahlten voller Zufriedenheit, aber er sagte nichts. Schweigend verfolgten sie, wie unter ihnen ein Vogel im Aufwind schwebte. Dann tastete Lokesh nach Shans Hand und drückte sie fest, genau wie Shans Vater es früher oft getan hatte, als Shan noch ein Kind gewesen war. »Der Amerikaner hat gesagt, er habe eine Botschaft von Inspektor Yao an uns alle.« Lokesh stand auf.
    Die Gruppe bei Corbett war verstummt. Schon von weitem konnte Shan hören, daß der Amerikaner von Yao erzählte, der die Plünderer aufgehalten und dadurch Zhoka gerettet habe.
    »Er spricht über die Diebe«, sagte Shan zu Lokesh. »Aber niemand fragt nach dem Schatz, den sie gesucht haben.«
    »Ich habe unserem Freund Corbett gesagt, daß Gendun noch immer nicht mit allen Gottheiten dort unten gesprochen hat«, erklärte Lokesh. »Es wird noch viele Wochen dauern. Und sogar dann …« Er hielt inne und suchte nach den passenden Worten. »Sogar dann wird nicht jeder bereit sein, dorthin zu gehen. Wir wissen, daß es sich nicht für jedermann eignet.«
    Als Shan näher kam, hielt Corbett ein kleines Stück Papier in der Hand. Es war einer von Dolans Schecks, die Shan an den Amerikaner weitergereicht hatte. »Hunderttausend Dollar«, sagte Corbett. »Bevor Mr. Dolan gestorben ist, hat er zu Inspektor Yao gesagt, dieses Geld sei für Punji McDowells Kinderklinik bestimmt.« Das war einer der Gründe für Corbetts erbitterte Telefonate am Vortag gewesen. Er hatte seine Aussage über die Umstände von Dolans Tod von der Zusicherung abhängig gemacht, daß die Schecks von der Bank auch eingelöst würden. Auf diese Weise setzte er Yaos Vermächtnis durch. Der Inspektor hatte in seinem Brief geschrieben, Dolan habe ihm zwei Barschecks übergeben, die für die Klinik und für die Eltern der jungen Frau gedacht seien, die in Seattle gestorben war.
    Doch auch Corbett hatte eine weitreichende persönliche Entscheidung getroffen. Er deutete auf zwei große Kisten und einen Koffer, die Jara und seine Familie aus dem Hubschrauber entladen und vom Steinturm hergeschleppt hatten. Jara brachte ihm den Koffer, der mit Klebeband umwickelt war.
    Shan und Corbett hatten die Frachtstücke an jenem Morgen abgeholt, allerdings nicht aus Mings Lagerhaus, sondern aus McDowells Kinderklinik auf der anderen Seite der alten Ziegelei. Tan hatte keine Fragen gestellt, sondern sogar dabei geholfen, alles neben McDowells Leichnam in den Helikopter zu laden.
    Während Corbett nun das Klebeband entfernte, versammelten die Tibeter sich um ihn und setzten sich. Er nahm den ersten der in Zeitungspapier und Plastikfolie gewickelten Gegenstände heraus und öffnete die Verpackung. Der unbezahlbare

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