Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verlorene Sohn von Tibet

Der verlorene Sohn von Tibet

Titel: Der verlorene Sohn von Tibet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
Vom Netzwerk:
dieser Bezirk unter Militärverwaltung steht. Es wird Sie vielleicht überraschen, welch umfassende Befugnisse mir das verleiht. Zum Beispiel kann ich Sie für ein oder zwei Jahre in ein Umerziehungslager stecken, ohne auch nur mit einer Person Rücksprache halten zu müssen.«
    »Ein bißchen Einfluß in einem vergessenen Provinznest. Das ist doch keine wirkliche Macht. Wenn Sie sich mit mir anlegen, mache ich Sie fertig. Man wird in Peking davon erfahren.«
    »Bis dahin bleibt mir genug Zeit, um alles zu überprüfen.«
    »Alles?«
    »Mr. Dolans Aussage, Sie hätten kostbare Exponate des Museums gegen Fälschungen ausgetauscht«, log Tan. »Ihre Geschäftsbeziehung zu William Lodi. Und was wird wohl der Vorsitzende tun, wenn er erfährt, daß Sie das Qian-Long-Fresko gestohlen und ihm dann vorgelogen haben, es gäbeeinen Brief, der auf Lhadrung deutet? Er wird an Ihnen ein Exempel statuieren müssen. Das Wandgemälde sollte als Symbol der internationalen Völkerfreundschaft dienen. Sie galten als pflichtbewußter Beamter. Der Vorsitzende wurde auf dem diplomatischen Parkett in Verlegenheit gebracht.«
    Ming schaute zur Tür.
    Tan sah auf die Uhr. »Wenn Sie sich beeilen, erwischen Sie die Abendmaschine nach Peking.«
    Ming trat einen Schritt vor und hielt dann sichtlich verwirrt inne.
    »Sie können gehen«, sagte Tan. »Aber ich mache das folgende Angebot nur ein einziges Mal: Sagen Sie mir, wo das Qian-Long-Fresko ist, und ich garantiere Ihnen, daß man Sie nicht hinrichtet. Sie werden viele Jahre im Gefängnis sitzen, doch eine Kugel in den Kopf bleibt Ihnen erspart.«
    Ming erwiderte Tans Blick und starrte dann auf sein Klemmbrett, als wolle er wieder an die Arbeit gehen. »Ich habe niemanden getötet«, sagte er leise. »Es sollte niemand zu Schaden kommen. Das war alles nur Dolan.«
    Shan ging zu einer langen, schmalen Kiste. Darin stand eine große Platte aus Verputz, die von Holzlatten gestützt wurde und in Luftpolsterfolie gewickelt war. Er riß die Folie auf, und eine leuchtendbunte Kette aus Lotusblumen wurde sichtbar. Sie waren auf eine dicke Putzschicht gemalt, aus der Pferdehaare ragten. Dies war das Fresko, das man aus Zhoka gestohlen hatte.
    »Ich werde mich auf keinen Fall diesem Mistkerl Yao stellen«, sagte Ming.
    »Das müssen Sie nicht. Sie sollten aber wissen, daß es Yao und Shan waren, die Ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht haben.«
    Mings leerer Blick richtete sich kurz auf Shan. »Sie sind bloß ein obdachloser Ex-Häftling«, sagte er. »Ein Niemand.«
    »Was haben Sie beim Kloster mit Surya angestellt, Ming?« fragte Shan. »Nachdem Sie sich als Abt ausgegeben hatten, haben Sie noch etwas gemacht. Sie haben ihn vernichtet. Sie haben ihn glauben lassen, er habe sein Leben verschwendet.«
    Ming lächelte. »Ich hatte meinen Computer dabei. Dieser alte Narr hatte so ein Gerät noch nie gesehen. Ich sagte ihm, ich könne mit nur einem Fingerzeig wundervolle Werke erschaffen. Dann habe ich den Computer aufgeklappt und eine Bilddatenbank gestartet, in der berühmte Gemälde gespeichert sind. So konnte ich per Knopfdruck weiterblättern und immer neue Bilder erscheinen lassen. Er war entsetzt. Er hat geweint. Aber als ich dann aufgebrochen bin, hat der Dummkopf mir sogar die Hand geküßt.«
    Und noch am selben Abend hatte Surya sein Gemälde in Yerpa zerstört und beschlossen, sein bisheriges Dasein sei wertlos gewesen. Nur weil ein arroganter Fremder aus Peking ihn mit einem Computer hereingelegt hatte.
    Ming wandte sich wieder an Tan. »Wissen Sie, Dolan ist wahnsinnig. Die Leute ignorieren es, weil er so reich ist. Wie bei manchen der alten Kaiser.« Er ging zu der Kiste mit dem Wandgemälde, nestelte an einem Stück Klebeband herum, das oben heraushing, trat dann plötzlich zu der Kiste mit den Papierfetzen, nahm ein intaktes Blatt und schrieb etwas auf. »Das Fresko des Kaisers befindet sich in einem Schiffscontainer voller Computer. Sie werden Agent Corbetts Unterstützung benötigen. Es dürfte gestern in Oregon eingetroffen sein.«

Kapitel Einundzwanzig
    Als Shan und Tan am Gästehaus eintrafen, wimmelte es dort von Fremden. Am Tor standen zwei Krankentransporter, einer davon mit blinkenden Signalleuchten, sowie ein Dutzend Geländewagen. Aus Lhasa seien Reporter angereist, meldete einer der Offiziere dem Oberst. Außerdem habe die amerikanische Botschaft sich nach Dolans Unfall erkundigt, und drei Generäle hätten ihm Nachrichten hinterlassen.
    Der Leichnam des

Weitere Kostenlose Bücher