Der verlorene Troll
Ritter senkte das erhobene Schwert und verstummte ebenfalls.
Es war der Mann, den Made im Lager am Fluss gesehen hatte und den er bei sich immer das Oberhaupt genannt hatte. Er trug einen Helm auf dem Kopf, aber der Zopf war deutlich zu sehen, und seine Gesichtszüge waren trotz des kürzeren Barts klar zu erkennen. Ein goldener Löwe zierte sein grünes Hemd.
Sie nickten sich kurz zu, als Zeichen des Erkennens.
In diesem Moment tauchte eine laut jubelnde Schar von Rittern und Speerträgern zwischen den Bäumen auf. Der Südländer, dem Made das Leben gerettet hatte, zog ihn am Arm, und sie rannten davon, flohen zwischen den Kiefern den Berg hinauf auf die andere Seite der Schlucht.
Wie hatte der Ritter ihn erkannt?
Wieso war ihm nicht bewusst gewesen, dass die Frau, die er begehrte, ebenfalls zu den Eindringlingen gehörte? Er hätte es schon in dem Moment wissen müssen, als er die Mammuts sah.
Oben auf dem Berg sank der Krieger gegen eine Buche und glitt den Stamm hinab, bis er am Boden kauerte. Auf der glatten Rinde blieb eine rote Blutspur zurück. Er hob seine Wasserflasche an die Lippen und trank, dann bot er sie Made an, der das Wasser durstig schluckte.
»Hm!«, murmelte der Mann. »Der Riese hat mich gerettet.«
Made hatte das Wort schon gehört, aber Sinnglas sprach nicht gerne davon. »Riese?«
Der Mann starrte ihn mit seltsamer Miene an. »In den Bergen, die Riesen, die in der Dunkelheit gehen und keinen Schatten hinter sich haben. Die Steine nach den Menschen werfen und die Kriegstrommel erklingen lassen.«
»Trolle!«, sagte Made.
Der Mann runzelte die Stirn, als er den fremdartigen Ausdruck hörte. »Riesen«, wiederholte er langsam. »Du bist so groß wie einer, und du wirfst Männer und Steine durch die Gegend wie sie. Du kämpfst wie ein Riese.«
Made dachte über die Beschreibung des Mannes nach. Auf einmal erkannte er den Geruch von etwas Falschem, das er lange nicht hatte benennen können. »Nein, Riesen kämpfen nicht auf diese Art«, sagte er. »Nicht gegeneinander. Sie würden reden und abstimmen und dann ihrem Oberhaupt folgen oder ge trennte Wege gehen. Euer Kämpfen, es fühlt sich falsch an.«
Der Mann lachte und zuckte dann vor Schmerz zusammen. Er streckte die Hand aus und flüsterte: »Warte… warte… da!«
Made drehte sich um. Nur wenige hundert Fuß entfernt näherten sich ganze Scharen von Feinden, die dem breiten, verborgenen Pfad, den die Schlucht ihnen bot, gefolgt waren. Als Made sich wieder dem Verwundeten zuwandte, hing das Kinn des Mannes schlaff herunter, und seine starren Augen standen weit offen.
Er rannte alleine zwischen den Bäumen davon und machte sich auf den Weg bergan. Die Sonne stand direkt über ihm und schien erbarmungslos durch jede Lücke des Blätterdachs. Die Luft war drückend heiß und von einer bleiernen Stille erfüllt, die nur gelegentlich von einem Schrei oder dem fernen Trompeten eines Mammuts durchbrochen wurde. Auf einem flachen Felsvorsprung, der aus der Bergwand herausragte, bewegten sich Leute.
Made stieg den steilen Hang hinauf, unter den Tulpenbäumen hindurch, die sich hundert Fuß und höher gen Himmel reckten. Ein riesiger Baum war der Länge nach über den Rand des Vorsprungs gestürzt. Seine Zweige hatten sich in den anderen Bäumen verfangen und verhinderten, dass er den Hang hinabrutschte. Made hörte das Sirren der Pfeile, die über ihn hinweg auf die Angreifer hinter ihm zielten. Er kletterte über den Baumstamm und nickte den Bogenschützen grüßend zu. Squandral und Custalo saßen da, mit vielleicht sechzig oder siebzig Männern. Squandral warf einen Blick auf Mades bloßes Haupt und wandte den Kopf ab.
Sinnglas saß mit Pisqueto und fünf weiteren Männern aus ihrem Dorf beisammen, darunter auch der Krieger, der seine Finger verloren hatte. Der Verletzte mit dem gebrochenen Schlüsselbein war nicht dabei. Made gesellte sich zu ihnen. Die Männer verbanden ihre Wunden, außer Pisqueto, der unverletzt schien. Er saß vor einer wirren Ansammlung von Pfeilen und besserte die Befiederungen aus.
Sinnglas nickte Made zu und deutete dann mit dem Kinn auf einige Stellen unterhalb des Bergkamms. Made beobachtete, wie die Eindringlinge sich in der Deckung unterhalb neu formierten. Das zottige, rote Mammut trottete in der Ferne zwischen den Bäumen umher.
»Hast du noch etwas zu essen in deinem Beutel?«, fragte Sinnglas. »Wenn ja, dann iss. Wenn nicht, werden wir etwas für dich auftreiben.«
Made sah nach. Er hatte noch
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