Der verlorene Troll
»Nein, nein«, rief er dabei gerne. »Kämpfe mit deiner Größe, deiner Reichweite. Jede Parade muss von einem Schlag gefolgt sein. Greife an, greife immer wieder an, zumindest solange, bis du besser geworden bist.«
Ähnlich wie Mades Schwertkünste Fortschritte machten, besserte sich auch Brans Gesundheit. Nägel wuchsen wieder in den verbliebenen Fingerspitzen, schwache, dünne Hornblättchen, die brachen und splitterten, aber immerhin waren es Nägel. Dort, wo die vorderen Fingerglieder fehlten, bildeten sich Blasen, die er platzen ließ, bis sich allmählich Knochenschwielen zeigten.
»Wie hast du den Löwen getötet?«, fragte Bran eines Abends, als sie Fleisch aßen, das Made erlegt und Bran gebraten hatte, und ahmte den Großzahn nach.
Made deutete auf die Bergkette, dorthin, wo sie nach Norden führte und in die höheren Berge überging. »Den Löwen dort? Ich fand den Löwen, ich tötete den Löwen. Mit diesem Messer.« Er zog die Waffe aus der Hülle an seinem Hals und reichte sie Bran.
»Damals war es hoffentlich noch schärfer?«
»Ja«, sagte Made. »Sinnglas zeigt mir, wie man… «, er vollführte eine wetzende Bewegung, »mit Stein Messer schärft. Vielleicht er nicht gut zeigt. Es Zeit, neues Messer finden.«
»Ich werde dir beibringen, wie man es scharf hält«, sagte Bran.
»Gut«, sagte Made, aber seine Gedanken waren nicht bei dem Messer. Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und seufzte. »Die Frau, mit dem Löwen?«
»Im Zelt?«, fragte Bran. Seine Augen bekamen einen fernen Blick, als sähe er etwas für ihn Unerreichbares. Made war sich nicht sicher, was das bedeutete. »Du meinst Portia, Lady Eleuate.«
»Ha?«, sagte Made, der kein Wort verstanden hatte. »Haare, lang. Nase wie… « Er zeigte einen Umriss mit den Fingern.
»Portia.«
Made wiederholte den Namen. »Sprich mir ihr.«
»Ich soll dir von ihr erzählen?«, fragte Bran lächelnd und seufzte ebenfalls. »Kennst du die Geschichte von Talandra, der Tochter von Sceatha, dem Kriegsgott, und einer sterblichen Frau, Lynceme, Königin von Terce? Weil sie sich vom Krieg verführen ließ, brachte Lynceme ihre Tochter Talandra voller Scham in den Wald und ließ sie dort zurück. Aber eine Bärenmutter fand das Kind, säugte es und… «
»Nein.« Made wurde unruhig. »Sprich mir Portia-die-Lady-Eleuate.«
»Ich will damit nur sagen, dass Portia wie Talandra ist.«
Made schoss in die Höhe. »Sie von einem Bär aufgezogen?«
»Nein, nein«, sagte Bran. »Aber als Talandra erwachsen war und ins Land ihrer Mutter zurückkehrte, war ihr kein Mann gut genug. Sie war stärker als alle, konnte schneller rennen und besser jagen, und sie verschmähte sämtliche Verehrer, mit denen ihre Mutter sie verheiraten wollte.«
»Langsam«, unterbrach Made, der kein Wort verstanden hatte.
Bran versuchte, seine Worte mit Gesten zu unterstreichen, damit Made sie begriff. »Lady Culufre hat keine Töchter, aber einen Sohn, Acrysy, und sie hat Acrysy mit Portia verlobt, damit Portia ihre Erbin wird. Acrysy ist jung, und sie sind noch nicht vermählt, darum konkurrieren auch viele andere Männer um Portias Gunst.« Seine Stimme wurde leise, und er leckte sich die Lippen. »Darunter auch einige, die deutlich älter waren als sie, ganz und gar unpassende Verbindungen.«
Als Bran aufsah, schüttelte Made den Kopf. »Portia… ?«
»Portias Mutter starb, als sie ein kleines Mädchen war. Deshalb wurde sie von ihrem Vater und seinen Soldaten aufgezogen. Wie Talandra weist sie sämtliche Verehrer ab, auch wenn sie mit ihnen um die Wette rennt oder jagen geht.«
»Sie rennt und jagt?«
»Ja.«
»Gut!« Made rannte und jagte ebenfalls gerne. So viel wenigstens begriff er.
»Sie war die Erste, die ihren Speer nach dem Keiler warf, als wir ihn im letzten Herbst jagten. Sie hätte auch den Löwen gejagt, sobald wir ihn aufgestöbert hätten. Jene jedoch, die sie besser kennen, glauben, dass sie einmal eine gute Baronin wird. An der Art und Weise, wie sie jagt, sieht man, dass sie jede Aufgabe entschlossen anpackt. Sie kennt ihre Pflicht und würde sich nie davor drücken.«
»Das ist gut«, sagte Made, während Freude in ihm aufstieg. »Du sprechen mir ihr. Wir gehen, sie finden.«
»Nicht jetzt, noch nicht«, sagte Bran und starrte auf seine Hände und Füße.
»Jetzt!«, schimpfte Made. »Ich möchte, wir gehen sie finden.«
»Nicht jetzt, Claye, mein Freund, noch nicht so bald.« Bran ließ den Kopf hängen und seine Stimme
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