Der verlorene Troll
der Flügeltür lockerte Bran seine Schultern, strich sich mit den Händen über die Arme und schüttelte seine Beine aus. »Mach dich bereit. Tubat ist jung und unberechenbar.«
»Un-be-was?«
»Man kann bei ihm vorher nie wissen, was geschieht.«
»Das wissen wir doch nie«, entgegnete Made.
Bran grinste. »Wir sind aus Sebius’ Palast geflohen und haben ohne Kampf die Brücke überquert. Lob sei den zwei Göttern.«
Er hob einen großen Messingknauf, der geformt war wie eine Zunge in einem Löwenmaul, und klopfte damit gegen das Holz. Als sich nichts regte, klopfte er nochmal. Kurz darauf wurde die linke Tür einen Spalt geöffnet. Eine unscheinbare Frau mit weißen Haaren und einem zwiebelförmigen Gesicht spähte hinaus und musterte die Gesichter der beiden Männer, ihre Kleidung, ihre nackten Füße.
»Tut mir leid, aber es ist niemand zu Hause«, sagte sie und zog den Kopf zurück, um die Tür zuzuschlagen.
Doch Bran war schneller. Er packte die Tür, ehe sie ins Schloss fiel, schob sie auf und sagte: »Es ist alles in bester Ordnung, meine Werteste. Tubat erwartet mich. Es geht um den Ball heute Abend.«
Er schlüpfte durch den Türspalt, und Made zwängte sich hinter ihm ins Haus. Die Frau schien seinen Worten nicht zu glauben, wirkte aber auch nicht ängstlich. Ihre Hände waren fest über ihrer Taille verschränkt. »Ich werde Tubat ausrichten, dass Ihr hier seid. Welcher Herr, sagtet Ihr, hat Euch geschickt?«
»Bitte vergebt mir dreimal, dass ich es Euch nicht gleich gesagt habe, vergebt mir. Diener Bran ist hier, im Auftrag von Lord Claye.« Er verneigte sich vor ihr.
Ihre Augenbrauen, die zu zwei ordentlichen Linien gezupft waren, hoben sich bei diesen Namen. Sie musterte Mades Gesicht. »Lord Claye täte gut daran, seinen Dienern Stiefel zur Verfügung zu stellen, damit sie keinen Dreck in die Häuser anderer Leute schleppen. Tubat hat gerade einen Gast und bereitet sich gemeinsam mit diesem auf das Kostümfest vor. Er sagte, er wünsche auf keinen Fall gestört zu werden; es ist also durchaus möglich, dass er Euch nicht empfangen wird.«
»Ich verstehe. Bitte sagt ihm, sein ergebener Diener Bran sei hier.«
»Wessen Diener seid Ihr nun - Lord Clayes oder Tubats?« Sie drehte sich um. Während ihr Kleid über den Boden des engen Flurs davonraschelte, schwebte ihre Stimme zu ihnen zurück. »Gebt acht, dass Ihr die Möbel nicht berührt.«
Die Tür am Ende des Gangs quietschte, als die Frau in einem weiteren Raum verschwand. Made versuchte, alles in sich aufzunehmen - den Boden, dessen viereckige Fliesen sich zu einem Muster zusammenfügten, die geschlossenen Türen zu beiden Seiten, das Sofa.
Eine Stimme dröhnte aus dem Zimmer am Ende des Flurs. »Bran? Dieser Gauner! Er dient niemandem als sich selbst!«
Die Tür wurde aufgerissen, und ein Bär von einem Mann stolzierte herein, so groß wie Made, aber stämmiger. Er trug lediglich ein Paar weiter, kastanienbrauner Hosen und zierliche, grüne Pantoffeln, die vorne spitz zuliefen. Ein breiter Bart hing über seinem Mund und kräuselte sich auf seinen Wangen, sein Kinn jedoch war nackt. Er trug einen Becher in der Hand, fast so groß wie ein Krug, und kam mit ausgestreckten Armen auf sie zu. Made hatte das Gefühl, ihn schon einmal gesehen zu haben.
»Bran!«, sagte er. »Wusste doch, dass du es bist, als ich deinen Namen hörte. Niemand würde es wagen, deinen guten Namen zu stehlen, was?«
Die alte Frau folgte ihm zurück in den Flur und verschwand lautlos durch eine offene Seitentür. Eine goldene Katze mit schwarzen Flecken steckte den Kopf durch die Öffnung und kam in den Flur getrottet. Sie war sechs Fuß lang, ohne Schwanz. Zwei weitere folgten. Alle drei drückten sich im Flur herum und rieben sich immer wieder aneinander. Made wusste nun, woher er den Mann kannte - er hatte ihn im Lager am Fluss gesehen.
»Sei gegrüßt, Tubat, sei gegrüßt«, sagte Bran. »Mögen Glück und Gerechtigkeit unserer Begegnung Glanz verleihen.«
Tubat näherte sich den Besuchern und strahlte sie hinter seinem Schnurrbart hervor mit einem breiten Grinsen an. »Lord Claye, was? Hab auch schon Originelleres von dir gehört!« Er blieb vor ihnen stehen. »Wie geht es dir?«
»Nicht besonders.«
Er nahm einen Schluck aus seiner Tasse. »Du hast dich von Frost oder Regen nie kleinkriegen lassen. Aber ich hörte, du seist tot.«
»Das war ich auch fast. Die Bauern fielen mitten in der Nacht über unseren Außenposten her und nahmen mich und Wys
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