Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verlorene Troll

Der verlorene Troll

Titel: Der verlorene Troll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Coleman Finlay
Vom Netzwerk:
Geruch. Und ich lege sie nicht weg!«
    Ambrosius zuckte mit den Schultern und grub weiter.
    Windy schaute auf das kleine Wesen in ihren Armen. Sie war ein so lebhaftes Kind gewesen, so abenteuerlustig, so furchtlos. Nicht einmal vor dem Tageslicht hatte sie Angst gehabt. Beim ersten Anzeichen der Dunkelheit krabbelte sie bereits davon, so auch in der letzten Nacht, als der Regen herabströmte und sie aus der engen Felsspalte gekrochen war. Windy hatte ihrem Lachen gelauscht und die Gelegenheit genutzt, ihren Hintern an Ambrosius’ Hinterteil zu reiben. Gerade als sie ebenfalls Erregung überkam, hörte sie das Brüllen des Großzahnlöwens und rannte hinaus, um ihre Tochter zu retten.
    Sie hatte den Großzahn verjagt - ein feiges, altes Biest, das hinkte. Doch als sie ihr kleines Mädchen erreicht hatte, war es bereits zu spät. Der Schädel ihrer Tochter war zerschmettert, völlig weich, matschig und verformt. Wie ein vermodernder Kürbis. Windy hatte schon Kürbis gegessen, einmal, in der Nähe eines Dorfes der schwarzhaarigen Menschen. Von nun an würde sie der Anblick immer an ihr Kind erinnern. Nie wieder würde sie einen Kürbis anrühren, egal, wie schmackhaft er war.
    Überhaupt war ihr zumute, als würde sie nie wieder etwas tun können.
    Der letzte Lichtfinger schwebte über dem grünen Antlitz der Wiesen. Ambrosius schlenderte herbei und setzte sich neben sie. Er entdeckte den Wurm, der sich zwischen den Blättern krümmte, hob ihn auf und bot ihn ihr an. Sie streckte die Zunge heraus, um ihm zu zeigen, dass sie keinen Hunger hatte. Er schnippte den Wurm in seinen Mund, kaute einmal und schluckte.
    »Es ist fast dunkel«, sagte er. »Wir sollten noch einmal runter zu der Schildkrötenschale gehen.«
    So nannte er die falschen Höhlen, die die Menschen bauten.
    »Warum?«, fragte sie.
    Ambrosius zuckte mit den Schultern. »Vielleicht finden wir dort was zum Essen.«
    »Und wenn die Menschen immer noch da sind? Der Mann hat ein glänzendes Blatt.«
    Ein Schwert. Sie hatte es letzte Nacht gesehen, als sie den Großzahn verfolgte, und der Mann aus der Höhle kam.
    Ambrosius kratzte sich am Kopf und bohrte sich dann mit einem möhrenlangen Zeigefinger in der Nase. Vermutlich stupst er sein Gehirn an, damit ihm endlich etwas einfällt, dachte sie hämisch.
    »Wir könnten versuchen, ihnen Angst einzujagen und sie zu verscheuchen«, schlug er vor.
    Sie hatte richtig geraten. »Das hast du letzte Nacht schon zwei oder dreimal versucht«, erinnerte sie ihn.
    »Stimmt«, sagte er langsam. Gutgelaunt setzte er eine finstere Miene auf. »Bestimmt haben sie mittlerweile ganz schön Angst!«
    Er schien ihr vielsagendes Schweigen nicht zu bemerken. Sie ließ sich auf die Fersen sinken und musterte ihn nachdenklich. Ambrosius war der hübscheste Troll, den sie je gesehen hatte - er hatte einen wunderschön geformten Kopf, der sich hinten zu einer hübschen Spitze wölbte; Augenbrauenwülste so dick, dass seine Augen in ihrem Schatten kaum zu sehen waren; er hatte so gut wie keinen Hals, Arme wie Baumstämme und einen Bauch, so rund und dunkel wie der Neumond. Sein Rücken war von den Schultern bis zu der Ritze an seinem Hintern von kurzen, borstigen Haaren bedeckt. Früher hatte allein sein Anblick genügt, dass ihr ein Schauer über den Rücken fuhr und sie sich innerlich ganz saftig fühlte. Sie hatte mit ihm geflirtet, und er war darauf eingegangen, und sie war so glücklich gewesen wie ein Troll es nur sein konnte, bis sie schwanger wurde und ihr dämmerte, dass Ambrosius nicht gerade der klügste Stein im Haufen war. Allerdings konnte sie nicht viel schlauer sein als er, denn als die Geburt ihres Kindes nahte, hatte sie sich von ihm überreden lassen, die Berge zu verlassen und in dieses dumme kleine Tal zu ziehen.
    Ambrosius grunzte. »Als ich vor ein paar Jahren hierherkam, wohnten in der Schildkrötenschale noch keine Menschen.«
    »Tja, dieses Jahr schon!« Sie hatte diesen Satz schon tausend Mal gehört und war es mittlerweile leid. Aber mehr noch wollte sie Ambrosius die Schuld am Tod ihres Mädchens geben. Sie musste jemandem die Schuld daran geben, egal wem, denn wenn jemand anderes die Verantwortung trug, brauchte sie sich nicht selbst schuldig zu fühlen.
    Ambrosius wühlte faul im Schmutz. »Ich habe Hunger.«
    Windy seufzte. Das hatte sie ebenfalls schon tausend Mal zu hören bekommen. Sie erhob sich. Besser, etwas zu tun, als weiter untätig hier zu sitzen. »Los, komm. Wir gehen hinunter zur

Weitere Kostenlose Bücher