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Der verlorene Troll

Der verlorene Troll

Titel: Der verlorene Troll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Coleman Finlay
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jedem Troll in die Augen. »Ihr alle kennt mich«, sagte er. »Ich wurde in dieser Horde geboren und habe mein ganzes Leben unter euch verbracht.«
    Wie überaus nützlich, dass er die sechs Jahre ihrer gemeinsamen Wanderschaft vergessen hatte, dachte Windy. Aber sein Geruch strahlte Ernsthaftigkeit aus. Er hatte immer schon einen charismatischen Duft gehabt.
    »Wir haben viele Probleme zusammen bewältigt«, fuhr Ambrosius fort. »Einige von euch sind so alt wie ich. Ihr erinnert euch sicher noch daran, dass früher, als wir noch kleine Trollinge waren, fünfzig, sechzig Trolle in dieser Horde lebten. Die Berge gehörten uns. Wir fanden jedes Krümchen Aas, jedes Kalb, jedes Kitz, das ungeschützt durch die Wälder lief. Gebt mir eure Stimme, und ich werde euch diese Tage wiederbringen. Wir werden die alten Zeiten zurückholen, als die Höhlen für die Kinder noch sicher waren und die Berge noch uns gehörten.«
    Wieder ging er im Kreis hin und her. »Wer mir seine Stimme nicht geben will, der kann ja für Made stimmen. Ich finde ihn ja hässlich wie ein Opossum, wäre das nicht eine Beleidigung für jedes Opossum.« Gelächter über diese Worte. »Am schlimmsten aber ist, dass er winzig ist, seiner Mutter immer noch nachläuft und sich von ihr in seltsame Dinge hüllen lässt.«
    Mehr Gelächter.
    Ambrosius schaute herüber, als erwarte er, für diese Beleidigungen von Made attackiert zu werden, aber ihr Sohn rührte sich nicht. Was war nur los mit ihm? Er musste seinen Widerspruch doch laut hinausbrüllen. Sie schluckte eine Handvoll Schnee, um ihre ausgedörrte Kehle zu befeuchten.
    »Gebt mir eure Stimme«, schloss ihr ehemaliger Gefährte. »Denn ich bin der wahre Troll. Vielen Dank.«
    Drei oder vier seiner größten Unterstützer jubelten wild und trommelten an Made gerichtete Herausforderungen auf ihre Brustkörbe.
    Windy schnupperte besorgt. Für sie roch Made wunderbar, einzigartig, aber für die anderen war sein Geruch wegen der Dinge, die er bei sich trug, fremd. Er roch nicht wie sie es von ihm gewohnt waren, sondern wie eine seltsame Horde Menschen. Ohne darauf zu achten, sprang Made zu einem der Felsen und kletterte hinauf, um größer zu wirken.
    »Wählt nicht mit euren Augen, sondern mit euren Bäuchen«, hob er an, und Windys Rückgrat zitterte wie ein Schilfrohr. Made hatte seine Stimme trainiert, damit sie tief und voll klang wie die von Ambrosius. »Fragt nicht danach, wer euch ähnlicher ist, sondern wer mehr für euch getan hat. Ambrosius ist ein prächtiger Troll, und ich gebe gerne zu, dass ich dünn, schmächtig und klein bin. Aber ihr seid nicht auf der Suche nach einem hübschen Gefährten, ihr sucht ein Oberhaupt für eure Horde, und ich war der Erste, der euch allen diente. Wer bringt euch mehr Flei… «
    Ein Dreckklumpen flog auf ihn zu, und er sprang zur Seite. Kliff und die anderen Unterstützer Ambrosius’ johlten und zeigten ihm ihre Hinterteile. Laurel eilte auf allen Vieren zu ihnen. »Das dulden wir nicht!«
    »Hört auf damit!«, rief der alte Stumpf, und der Ruf wurde von anderen aufgenommen. Eine weitere Handvoll Dreck segelte halbherzig durch die Luft, aber mehr brauchte es nicht, um den Rhythmus von Mades Rede zu zerstören. Windy hätte am liebsten geweint. Selbst unter den besten Voraussetzungen wäre die Abstimmung eng geworden, aber nun…
    Made zeigte auf sie. »Ambrosius sagt, ich würde ständig an der Seite meiner Mutter sein, und das stimmt! Niemals würde ich das bestreiten. Auf dem Weg hierher griffen Direwölfe meine Mutter an - ihr könnt die Abdrücke ihrer Zähne noch an ihrem Arm sehen. Aber ich stand neben ihr, um sie zu schützen, und genauso werde ich auch neben eu… «
    »Au, er hat sie bestimmt selbst in den Arm gebissen«, rief Ambrosius.
    Made drehte sich um und fletschte die Zähne, anschließend machte er sich mit einer Grimasse über seinen eigenen kleinen Mund lustig. Weil sie Windys Wunde gesehen hatten, lachten ein paar Trolle. Aber Windy wand sich innerlich. Der wenig furchteinflößende Mund ihres Sohnes würde ihn Stimmen kosten. Trolle stimmten nun einmal gerne für große Zähne. Ständig lenkte er die Aufmerksamkeit auf die falschen Dinge!
    Doch Made fuhr fort. »Ambrosius sagt, er würde euch mehr Essen verschaffen, mehr Früchte. Aber wie? Menschen kommen in die hohen Täler, nehmen uns sämtliche Nahrung und zerstören die Höhlen, in denen wir schlafen. Ich bin durch diese Berge gewandert, von ihrem Kopf hoch im Norden bis zu ihrem

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