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Der verlorene Troll

Der verlorene Troll

Titel: Der verlorene Troll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Coleman Finlay
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sich beim Namen kannten, ging das Lernen schneller voran. Weil Made einer größeren Vielfalt an Lauten mächtig war als der Fremde, gaben sie es bald auf, die Trollwörter zu üben und sprachen nur noch die Sprache der Menschen. Er genoss jede Silbe wie eine süße Beere in seinem Mund. Hand. Außen. Wasser. Bäume.
    Das waren die Wörter, die er verwenden würde, um mit der Frau zu reden.
    Der geborstene Ast hörte auf, wild durchs Wasser zu peitschen. Der andere Mann zeigte zum Himmel. Drei, vier, viele Handvoll an Sternen blinkten durch die Risse in den Wolken.
    Made lächelte, schaute wieder nach oben, und entdeckte, dass ein Stern fehlte. Die Morgendämmerung fraß sie schon aus dem Himmel. Es war ein stiller Morgen.
    Das Wasser strudelte davon wie ein versiegender Wutausbruch und ließ anstelle der grünen Wiesen, an die Made sich erinnerte, eine Fläche aus Schlamm und Verwüstung zurück, von unzähligen Tümpeln und unkenntlichem Geröll übersät. Hohe Wolken ballten sich am Himmel, und aasfressende Vögel fielen wie dunkle Hagelkörner aus der Luft, um sich zwischen den Trümmern zu laben.
    »Wir gehen«, schlug der Mann vor, den Made Mund nannte. Und Made verstand ihn. Ein großer Triumph.
    »Wir gehen«, stimmte er zu.
    Made schlang die Arme um den Stamm, schwang sich von seinem Ast, grub die Zehen in die Rinde und kletterte zu Boden. Mund ließ sich einfach fallen. Sie standen auf und reckten ihre steifen Glieder.
    Der Schlamm saugte an ihren Füßen, als sie über den sumpfigen Grund zu den höher gelegenen, trockeneren Hügeln gingen. Mund hob den Kopf und spitzte die Lippen. »Brüder.«
    Made folgte Munds Blick. Zwischen den Bäumen am Flussufer kamen zwei Männer auf sie zu. Sie hatten hellroten Stoff um die Köpfe gewickelt.
    »Brüder«, sagte er und genoss das Wort. Er zeigte auf sich und auf Mund. »Brüder?«
    Mund schaute ihn an und nickte. »Brüder.«
    »Wir Brüder.« Made beschleunigte seinen Schritt und ging ihnen entgegen.

Kapitel 14

    Was er sagt?«, fragte Made.
    In den Monden, seit er Sinnglas das Leben gerettet hatte, hatte Made große Fortschritte beim Lernen der Menschensprache gemacht. So wusste er mittlerweile auch, dass sein Freund nicht Mund hieß, Mund war vielmehr ihr Wort für das Wo-man-Essen-hineinschiebt. Aber der Akzent des Neuankömmlings unterschied sich doch so sehr von Sinnglas’ Leuten, dass Made ihn nicht verstehen konnte. Dazu kam, dass Sinnglas und er weit entfernt vom Rat saßen, dort, wo diejenigen ihren Platz fanden, die in der Gunst weit unten standen.
    »Warte.« Sinnglas beugte sich vor. »Ich höre zu.«
    Made wartete. Und lauschte. Hauptsächlich jedoch beobachtete er.
    Der Neuankömmling war nur der letzte einer langen Reihe von Besuchern in der Ratshöhle von Sinnglas’ Leuten. Ratshütte ; er versuchte, das Wort zu denken, auch wenn der Raum, der aus geschnittenen und gebogenen Zweigen gebaut und recht dunkel war, an eine stickige Höhle erinnerte, vor allem, wenn mehrere Dutzend Männer und das scharfe Aroma ihres Medizinkrauts sich darin drängten.
    Seit Wochen kamen Fremde in die Ratshütte, aber dieser Neuankömmling beeindruckte Made mehr als die anderen. Er war älter und hatte breite Schultern wie ein Troll und ebenso lange Arme. Seine Nase bog sich wie der Schnabel eines Habichts, und er schien mehr durch sie zu sprechen als durch seinen Mund, heisere, undeutliche Worte, denen Made nicht folgen konnte. Die Kleider des Neuankömmlings ähnelten kaum denen der Männer um ihn herum, vielmehr erinnerten sie an jene, die Made bei den löwenjagenden Männern gesehen hatte. Er trug viele Waffen, und zwei Männer folgten ihm überallhin wie ein Paar Trollvögel.
    Jeder in der Ratshütte lauschte dem Neuankömmling mit großem Ernst, als würde die Morgendämmerung selbst aus ihm sprechen.
    Sie saßen mit gekreuzten Beinen am Boden, runzelten die Stirn und seufzten düster, während der Neuankömmling seine Sätze vor sich hin leierte. Made hatte versucht, wie sie zu sitzen, fand es aber unbequem und kauerte lieber nach Trollart auf den Fersen. Dadurch ragte er über den anderen auf und konnte sie besser beobachten. Der Neuankömmling saß in der Mitte, auf dem Ehrenplatz des Rats, neben Damaqua. Damaqua war das Oberhaupt der Menschenhorde. Außerdem war er Sinnglas’ Bruder.
    Einer von Sinnglas’ Brüdern. Die beiden anderen saßen hinter Made, ganz hinten in der Halle, gegen die Wand gedrängt. Keekyu und Pisqueto. Ihre Augen leuchteten so

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