Der verlorene Troll
gefolgt von einer Attacke aus Donnerschlägen, die in der Ferne begann, über Mades Kopf den Himmel entlang galoppierte und erst viele Herzschläge später verklang. Auf einmal wurde es dunkler als die Nacht, und er konnte nichts mehr sehen. Die Luft um ihn herum erdrückte ihn. Er wollte in der Holzhöhle Schutz suchen, musste dann aber an den kleinen Troll denken, den er soeben beerdigt hatte. Seine Trauer war zu groß, um die Nacht dort zu verbringen.
Er erklomm den Hügel und schaute über die trüben, grauen Umrisse der triefenden Landschaft. Offenbar war er in der Nacht doch dem richtigen Weg gefolgt, denn die Höhle, wo er das Holzscheit mit dem Fellüberzug verstaut hatte, lag ganz in der Nähe. Als er den Eingang entdeckte, war dieser voll Wasser. Er legte sich bäuchlings in die Pfütze und spähte in die Öffnung. Wassertropfen perlten über die Felswände im Innern, aber verglichen mit der Welt draußen war die Höhle trocken, und sie gehörte ihm allein. Er zerrte das Holzstück hinaus in den Regen, um mehr Platz zu haben, kroch hinein und rollte sich zum Schlafen zusammen.
Verwirrt und benommen wachte er in völliger Finsternis wieder auf - die Höhle war eingestürzt und füllte sich mit Schlamm. Panisch grub er mit den Fingern im Dreck, schaufelte eine Handvoll nach der anderen hinaus und schleuderte die Erde beiseite. Plötzlich griff seine Hand nach bloßer Luft, und er hätte beinahe laut gerufen, in der Hoffnung, seine Mutter würde ihn packen und herausziehen, wie sie es immer getan hatte, wenn er in einem engen Höhlengang steckengeblieben war. Aber sie war nicht da, um ihm zu helfen, niemand war da, deshalb tastete seine Hand suchend durch die Leere, bis sie groben Fels zu fassen bekam, während er kräftig mit den Beinen strampelte und sich durch den Matsch ins Freie schob.
Zusammengerollt und dreckverschmiert lag Made schließlich auf der Erde und hob den Kopf zum Himmel. Er sog eine Mundvoll Luft in sich ein und starrte in das blaugraue Auge des wolkenverhangenen Mondes.
Schwankend stand er auf, um eine Glücksfanfare auf seine Brust zu trommeln. Er packte das Scheit, aber dieses war nass, geborsten und zur Hälfte mit Schlamm gefüllt und gab kaum ein Geräusch von sich. Egal - er war jetzt Mensch, und Menschen trommelten sich nicht auf die Brust wie Trolle.
Auf seinem Weg ins Tal prasselte neuer Regen auf ihn herab, wie Schotter über einen steilen Hang. Mades Haut war bald wund und zerschlagen von dem ständigen Prasseln, aber es gab keinen Unterschlupf, in den er sich flüchten konnte; der Wind drückte den Regen sogar bis an die Rückseite der Bäume. Als er den kleinen Fluss erreichte, hatte sich die Wiesenlandschaft in einen Sumpf verwandelt. Das Wasser wirbelte braun und schlammig dahin und schlug wie ein Bison, der sich in einem Schlammloch suhlt, gegen die Ufer. Die Palisade an der Flussbiegung stand bereits zur Hälfte unter Wasser…
Die Zelte waren weg. Das Lager war verschwunden.
Seine Füße wirbelten Fontänen auf, als er über die regennasse Wiese rannte. Im Innern der Holzwand fand er nichts - kein Zeichen von Menschen, keine Fährte. Der Regen hatte sämtliche Spuren ihrer Abreise weggespült. Leere breitete sich in ihm aus - er hatte keine Ahnung, in welche Richtung sie gezogen waren oder woher die Frau gekommen war!
Er machte sich auf den Weg zur Anhöhe mit den Bäumen. Bäche aus Regenwasser umspülten bereits ihre Wurzeln und zerrten an der Böschung, aber noch konnte er an ihnen emporklettern, um sich umzusehen.
Plötzlich stieg ihm ein durchdringender Geruch nach nasser Erde in die Nase. Hinter ihm ließ ein Donnern die Luft erzittern, über das Brausen des Regens hinweg, als würde sich ein Großzahn, riesig wie ein Berg, in das Tal stürzen.
Made schaute sich um und erblickte eine Steilwand aus Wasser, dunkel wie eine Blutkruste durch das Flussbett rasen. Schnell rannte er den Berg hinauf zu den Bäumen.
Die Wasserwand traf die Palisade, zertrümmerte sie zu Splittern und schlug dann über Made zusammen, ehe er das Wäldchen erreichen konnte. Die Welle hob ihn auf, schleuderte ihn gegen einen der frisch gehackten Baumstümpfe und zog ihn unter Wasser, noch ehe er Luft holen konnte. Er prallte gegen einen weiteren Stamm, schluckte eine Mundvoll schlammigen Wassers und kam würgend und spuckend wieder an die Oberfläche, schnappte nach Luft und versuchte, nach einem Ast zu greifen. Seine Hand fand einen, doch dieser zerbrach, als Made von der Flut
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