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Der verlorene Ursprung

Der verlorene Ursprung

Titel: Der verlorene Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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auftauchenden Schwierigkeiten nicht meistern könnten. Wie und mit welchen Mitteln auch immer, wir würden zu dieser Kammer gelangen.
    Mein ruhiger, kühler Blick schien ihn zu verunsichern. Er schlug beschämt die Augen nieder und wandte sich erneut den Tocapus auf der rechten Seite zu.
    Das war jetzt wirklich nicht der richtige Moment für Schuldzuweisungen und dicke Luft. Daher bemühte ich mich, ihn aus der peinlichen Lage zu befreien, in die er sich hineingeritten hatte. »Wie sagen wir immer in Barcelona?« Er drehte sich nicht um. »Die Welt ist voller verschlossener Türen, und wir sind dazu geschaffen, sie alle zu öffnen.«
    »Der Satz hängt in meinem Büro an der Wand«, sagte Proxi fröhlich. Ich merkte, wie sie Jabba mit ihrer guten Laune ebenfalls einen Rettungsring zuwarf.
    »Okay«, entgegnete er, drehte sich wieder um und zeigte uns ein schiefes Lächeln. »Ihr habt es geschafft, den eingefleischten Informatiker in mir zu wecken. Aber macht mich später für nichts verantwortlich.«
    Er nahm den Laptop und setzte sich vor das linke Feld - das, auf dem die geflügelten Figuren Menschenköpfe trugen. Dann begann er, die Tocapus in JoviLoom einzugeben, während Proxi und ich die Wand mit den Tierfiguren untersuchten. Dabei wurde uns klar, daß wir weder zu Hause auf den Fotos noch auf dem echten Sonnentor die sonderbaren Details wahrgenommen hatten, die diese Menschlein aufwiesen. Sie schienen zu laufen, wenn man sie auf eine bestimmte Weise ansah. Genausogut konnte man in ihnen auch kniende Menschen in flehender Haltung erkennen. Der Künstler hatte diese zweideutige Haltung sicher ganz bewußt erzeugt. Er wollte wohl keinen allzu deutlichen Hinweis hinterlassen, daß man Thunupa anflehen mußte, um herauszufinden, wie man in die Lakaqullu-Pyramide kam. Alle Figuren hatten Flügel, sehr große Flügel, die man hier, aus der Nähe betrachtet, allerdings auch für im Wind flatternde Umhänge halten konnte. Sie trugen alle einen umgedrehten Stab wie den in Thunupas linker Hand. Doch auf ihren Stäben saß kein Kondorkopf, sondern der Kopf eines Tieres, das aussah wie eine Ente mit hochgedrücktem Schnabel oder wie ein Fisch mit einem riesigen Maul. Die auf der rechten Seite eingemeißelten Figuren mit den Vogelköpfen blickten nach oben, zum Himmel, und ihre Körper waren der Mitte, dem steinernen Kondor zugewandt. Diejenigen mit den Menschenköpfen, vor denen Jabba mit dem Laptop saß, wandten Körper und Blick dem großen Kopf in der Mauer zu.
    »Also«, sagte Jabba schließlich, »das hier ist zwar eine wörtliche, aber nicht sehr verständliche Übersetzung. Der Text lautet in etwa: >Die Personen halten sich am Boden fest, senken ihre Knie in die Erde und richten ihre Augen ins Nutzlose<.«
    »Das ist ja irre!« rief ich verblüfft. »Die Welt hat sich im Laufe der Jahrhunderte kein bißchen verändert!«
    Jabba stand auf, ging zur zweiten Wand und vertiefte sich erneut in die Arbeit. Sein Stimmungswandel war beruhigend.
    »Die Personen klammern sich an die Erde, knien nieder und richten ihre Augen ins Nutzlose?« fragte mich Proxi, als wüßte ich die Antwort auf dieses Rätsel. Ich beschränkte mich darauf, mit den Schultern zu zucken. Ich verstand nämlich genausoviel wie sie: nichts. Noch immer fesselten mich die kleinen geflügelten Geister. Ihr Aussehen allein war eigenartig. Doch die Zeichnungen auf ihren Körpern waren noch merkwürdiger, zum Beispiel die langen Schlangen auf den Flügeln oder Umhängen oder die kleinen Labyrinthe auf ihrer Brust und die Hälse und Köpfe, die aus ihren Beinchen, ihren Armen und ihrem Bauch herauswuchsen. Von den unerklärlichen Stäben und Knöpfen auf ihren Gesichtern und den Symbolen auf ihren Kopfbedeckungen ganz zu schweigen. Sie waren eine Mischung aus Mensch, Tier und Maschine. Undefinierbar und höchst sonderbar.
    »Hier kommt der zweite Text«, meldete Jabba. »>Die Vögel erheben sich, um zu fliegen, flüchten rasch und richten ihre Augen in den Himmel<.«
    »Ich glaube, wir können damit nichts anfangen«, bemerkte ich.
    »Ich glaube, doch«, entgegnete Proxi. »Wir wissen zwar noch nicht, zu was die Sätze nütze sind, aber ich bin mir sicher, daß sie nicht zufällig hier stehen.«
    »Leute, die über die Macht der Worte verfügen«, rief Jabba mit dem Eifer eines frisch Bekehrten, »sollen unzusammenhängende philosophische Weisheiten auf eine verschlossene Tür geschrieben haben, die wir öffnen müssen? Komm, Root, gebrauch mal deinen

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