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Der verlorene Ursprung

Der verlorene Ursprung

Titel: Der verlorene Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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habe jedoch mein ganzes Leben bei archäologischen Ausgrabungen zugebracht und weiß, wie sehr man aufpassen muß. Für Sie und Ihre Freunde ist das alles neu. Ich kann nur sagen, daß in so einer Umgebung die eigene Wachsamkeit nie nachlassen darf.«
    Ich schaute mich um. So weit das Licht meiner Stirnlampe reichte, hatte sich der Boden des Gangs auf ein paar vereinzelte Steinquader reduziert, die wie Inseln voneinander getrennt waren, nicht durch Wasser, sondern durch breite Bodenspalten. Zum Glück war uns der Weg nicht vollkommen versperrt, sondern man konnte ohne allzugroßes Risiko von einem Stein zum nächsten springen. Aber ehrlich gesagt hatte die Lage sich für mich von Grund auf geändert, und für Marc und Lola erst recht. Wir wußten jetzt, daß uns bei jedem Schritt, den wir taten, Gefahr drohte. Ganz reale Todesgefahr.
    »Wie tief geht es dort hinunter?« fragte ich die Doctora.
    »Etwa zehn Meter.«
    »Können wir hier wieder zurück nach oben?«
    »Das glaube ich nicht.« Ihre Stimme klang ruhig, gefaßt.
    »Der erste Kondorkopf und die Wand dahinter haben den Ausgang auf dieser Seite versperrt.«
    »Also müssen wir weitergehen.«
    Sie sagte nichts.
    »Wie haben Sie uns entdeckt?« fragte ich, ohne mich umzudrehen. »Wie sind Sie hierhergelangt?«
    »Ich wußte, daß Sie kommen würden«, erwiderte sie. »Ich wußte, was Sie vorhatten, und habe mich darauf eingestellt.«
    »Aber Sie waren doch bei der Ausgrabung beschäftigt. Und es war niemand in der Nähe, als wir den Eingang entdeckt haben.«
    »Doch. Einer der Stipendiaten hat am Hügel von Kerikala Wache gestanden. Ich hatte ihn gebeten, Lakaqullu durchs Fernglas zu beobachten und mir Bescheid zu geben, wenn Sie auftauchen würden. Und obwohl der Eingang durch Gestrüpp verborgen war, habe ich ihn ohne große Mühe gefunden, denn ich hatte Sie hineinsteigen und in der Erde verschwinden sehen.«
    Jetzt drehte ich mich doch um und blickte sie an. Sie schien gelassen und wirkte wie immer sicher und von sich selbst überzeugt.
    »Und Sie sind allein in den Schacht gestiegen und durch den Gang gelaufen?«
    »Ich war Ihnen dicht auf den Fersen. Im Grunde konnte ich die ganze Zeit dem Licht Ihrer Lampen folgen. Ich kam gerade dazu, als Sie Ihren Freunden berichteten, was ich Ihnen in meinem Büro über die Nichtexistenz der Null in der Tiahuanaco-Kultur erklärt hatte.«
    Also hatten wir ihr die Methode zum Öffnen des ersten Kondorkopfes auf dem Tablett serviert.
    »Und wann gedachten Sie, uns die frohe Botschaft Ihrer Anwesenheit kundzutun?« fragte ich mit mühsam unterdrückter Wut.
    »Im passenden Moment.«
    »Natürlich.«
    Wir steckten in einem ganz schönen Schlamassel. Einerseits ließ sie nicht locker, versuchte, um jeden Preis von unseren Entdeckungen und denen meines Bruders zu profitieren. Andererseits aber genügte ein Wort von ihr, um uns in den Knast zu bringen. Denn schließlich hatten wir die bolivianischen Gesetze übertreten, hatten uns Zutritt verschafft zu diesem weltweit einzigartigen archäologischen Monument, das zum Weltkulturerbe gehörte. Das Zünglein an der Waage stand genau in der Mitte, und die beiden Schalen waren auf gleicher Höhe, zumindest bis wir Bolivien verließen. Falls wir es verließen.
    »Hören Sie, Doctora.« Ich hatte leichte Kopfschmerzen, schloß die Augen und massierte mir sanft die Stirn. »Lassen Sie uns eine Vereinbarung treffen. Ich will hier nichts anderes finden als eine Lösung für die Krankheit meines Bruders. Wenn Sie uns helfen« - um nicht zu sagen, >wenn Sie uns nicht anzeigen und uns erlauben weiterzumachen< -, »können Sie sich alles, was wir entdecken, als Ihr Verdienst anrechnen, einverstanden? Ich bin sicher, Daniel verzichtet lieber auf akademische Ehren, als für den Rest seines Lebens in seinem jetzigen Zustand dahinzuvegetieren.«
    Die Doctora musterte mich ein paar Sekunden mit einem rätselhaften Blick, bis sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht andeutete. Tja, wer würde da nicht lächeln, wenn man ihm schenkte, was er sich am sehnlichsten wünschte? »Ich nehme Ihr Angebot an.«
    »Gut. Was wissen Sie von dieser ganzen Geschichte?«
    Wieder lächelte sie geheimnisvoll und schwieg. Mir schlug das Herz bis zum Hals.
    »Viel mehr, als Sie glauben, Señor Queralt«, sagte sie schließlich, »und zweifellos viel mehr als Sie und Ihre Freunde. Also lassen Sie uns keine Zeit mehr verlieren und an die Arbeit gehen. Wir müssen einen Aymara-Code entschlüsseln, erinnern Sie

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