Der verlorene Ursprung
Archäologen. Deshalb müssen wir alle nur erdenklichen Vorkehrungen treffen, damit niemand Wind davon bekommt.«
»Ich weiß nicht, ob du nicht ein wenig übertreibst, Efrain«, brummte Marta. »Vielleicht kommst du der Wahrheit auch zu nahe. Jedenfalls halte ich Vorsicht für die Mutter der Porzellankiste. Ich habe nicht vor, unser aller Leben aufs Spiel zu setzen.«
»Die größte Gefahr für uns stellt, wie du weißt, sowieso der Urwald dar«, lenkte er ein. »Und wenn wir meinem Vorschlag folgen, ist die größte Schwierigkeit, die drei da mit in die >grüne Hölle< zu nehmen. Aber ich sage noch einmal: Wir können sie beschützen.«
Dessen war ich mir allerdings nicht ganz so sicher. Mein oberstes Ziel war, meinem Bruder zu helfen. Damit, daß ich mich den Pumas in den Rachen warf, war ihm und mir jedenfalls nicht geholfen. »Und warum verpflichten wir nicht ein paar Ureinwohner als Führer, so wie Marta vorgeschlagen hat?« Ich trank einen großen Schluck Mineralwasser gegen meinen trockenen Hals.
»Weil uns ohne offizielle Genehmigung keiner von ihnen begleiten würde«, erklärte Efrain. »Vergessen Sie nicht, daß die Parkwächter aus den Indianersiedlungen in den Naturschutzgebieten stammen. Sie stellen den Sernap, den Nationalen Sicherheitsdienst der Schutzgebiete. Wer würde sich im Urwald, den sie bewachen sollen, auch besser auskennen als die Indianer selbst? Welchen Führer wir auch unter Vertrag nehmen, er wäre immer der Vetter, der Bruder, der Onkel oder der Nachbar eines der Bewacher des Madidi-Parks. Wir kämen also nicht weit, machen Sie sich da mal keine Illusionen. Im übrigen sind es sehr kleine Gemeinden, Dörfer mit nur ein paar hundert Einwohnern. Verschwindet einer von ihnen, wissen immer alle, wohin, mit wem und zu welchem Zweck er gegangen ist.«
»Selbst wenn wir sie mit einer ordentlichen Geldsumme schmieren?« beharrte ich auf meiner Idee.
»Auf diese Weise würden wir wenig vertrauenswürdige Führer bekommen«, sagte Gertrude ernst. »Eines Tages, wenn wir am wenigsten damit rechnen, würden sie uns einfach im Stich lassen und alles an Material und Lebensmitteln mitnehmen, was sie tragen können. Den Gedanken sollten wir uns also gleich aus dem Kopf schlagen.«
»Aber wir können doch nicht ohne Führer gehen, oder?«
Marc klang gequält. »Das wäre ja reiner Selbstmord.«
»Aber wir haben doch die beste Führerin, die wir uns wünschen können!« Efrain lehnte sich mit stolzgeschwellter Brust zurück. »Was sagst du dazu, Marta?«
Marta nickte zustimmend und schaute mit einem verhaltenen Lächeln zu Gertrude hinüber, obwohl ich nicht den Eindruck hatte, daß sie wirklich überzeugt war.
»Fällt dir denn jemand Besseres ein als sie?« insistierte der Archäologe.
Marta schüttelte heftig den Kopf, doch mir entging nicht der Schatten des Zweifels, den sie hinter ihren zurückhaltenden Gesten und dem angestrengten Lächeln verbarg.
Im Bemühen, den Enthusiasmus ihres Gatten zu rechtfertigen, erklärte uns Gertrude unbefangen, sie habe in den letzten fünfzehn Jahren für Relief International gearbeitet. Das sei eine nichtstaatliche nordamerikanische Hilfsorganisation, die den Einsatz mobiler Ärzte bei entlegenen Gruppen von Ureinwohnern in der ganzen Welt organisierte. Sie hatte die Ärzteteams koordiniert, die in die abgelegenen ländlichen Andendörfer geschickt wurden, und selbst in einem dieser Teams mitgearbeitet. Zwangsläufig hatte sie sich mehrmals tief in den tropischen Regenwald vorgewagt, um eine der abgeschieden lebenden Indianergruppen zu erreichen. Darüber hinaus hatte das bolivianische Ministerium für Gesundheit und Soziales sie um ihr Mitwirken bei zwei offiziellen Expeditionen auf der Suche nach unberührten Indianerstämmen im eigenen Land gebeten.
»Gerade aufgrund meiner Erfahrung muß ich sagen«, schloß sie, »daß ich allein als Führerin der geplanten Expedition nicht genüge. Schließlich wollen wir mit drei Personen, die noch nie im Leben den Urwald betreten haben, in unbekanntes Gebiet vordringen.«
»Selbst dann nicht, wenn wir sie ununterbrochen im Auge behalten?« fragte Efrain enttäuscht.
»Man müßte ständig auf sie achtgeben, und damit nicht genug«, sagte sie. »Wir dürften sie wirklich nicht eine Sekunde aus den Augen lassen.«
»Jeder von uns Erfahrenen würde einen Neuling unter seine Fittiche nehmen.« Efrain legte entschlossen beide Hände auf den Tisch. »Wir werden sie ununterbrochen beaufsichtigen und ihnen
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