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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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besonderen Sünde bewußt?«
    »Nein.«
    Er zuckte die Achsel und sah den Assessor fragend an. Dieser flüsterte ihm zu:
    »Ich sagte es Ihnen ja. Er ist verstockt und wird ohne Geständniß sterben. Ich kenne diese Art von Menschen.«
    »Und ich kann nicht wissen, was grad Sie von ihm hören möchten. Wollen Sie ihn fragen?«
    »Das wäre ein Verhör, aber keine Beichte. Ich habe kein Recht, zu Untersuchungszwecken das Hinscheiden eines Sterbenden zu erschweren.«
    »Nehmen Sie es nicht als Verhör. Er hat gesagt, daß er beichten wolle, und da ich die Sünden, welche ihm zur Last gelegt werden, nicht kenne, so ist es für sein Seelenheil nur vortheilhaft, wenn Sie ihn an sie erinnern.«
    Darauf hin trat Schubert nahe an das Bett heran und fragte den Apotheker:
    »Sie wissen doch, weshalb Sie gefangen sind?«
    »Nein.«
    »Sie standen mit dem sogenannten Hauptmann im Bunde?«
    »O niemals!«
    »Sie haben sich gewisser giftiger Arzneimittel zu Zwecken bedient, welche vom Gesetz verboten sind?«
    »Nein.«
    »Sie haben Gifte gefertigt, welche man dann dem Riesen Bormann und der Baronin von Helfenstein eingegeben hat.«
    »Das ist nicht wahr.«
    »Aber wir haben Zeugen, welche ganz genau wissen und es auch beschwören, daß der Hauptmann bei Ihnen gewesen ist.«
    »Auch das ist eine Lüge. Ich will beichten, weil ich ein sündiger Mensch bin; ein Verbrecher aber bin ich nicht. Ich habe mit Ihnen nichts zu thun; ich will nur mit dem Pfarrer sprechen. Lassen Sie mich doch ruhig sterben!«
    Da trat der Assessor enttäuscht vom Bette zurück und sagte zum Pfarrer.
    »Er ist verstockt. Ich bin überzeugt, daß er schuldig ist. Thun Sie Ihre Pflicht, so, wie Sie es verantworten können!«
    Der Geistliche versuchte es, dem Kranken in’s Gewissen zu reden, doch ohne Erfolg. Darum entschied er endlich: »Nun wohl! Es ist mir als dem verordneten Diener der christlichen Kirche das Amt der Schlüssel gegeben. Ich kann binden und lösen, je nachdem der Sünder reuig ist oder nicht. Dieses Amtes werde ich jetzt walten, so wie es mein Gewissen mir gebietet. Sie bekennen sich also nur im Allgemeinen für einen Sünder?«
    »Ja.«
    »Eine besondere, hervorragende und im Strafgesetzbuche erwähnte That aber haben Sie nicht begangen?«
    »Nein, nie!«
    »So werde ich Ihnen die allgemeine Beichte vorsprechen. Ist es Ihnen möglich, sie nachzusprechen?«
    »Ich bin müde. Das Reden fällt mir schwer.«
    »So hören Sie!«
    Der Geistliche las ihm langsam und deutlich den Wortlaut der Beichte vor und fragte dann:
    »Haben Sie mich verstanden, und ist dies das ganze Sündenbekenntniß, welches Sie ablegen wollen?«
    »Ja. Ich weiß weiter nichts.«
    »So verkündige ich Ihnen an Gottes Stelle die Vergebung derjenigen Sünden, welche Sie mir gebeichtet haben. Sollten Sie aber Lasten, welche Ihre Seele bedrücken, aus Verstocktheit verheimlicht haben, so kann ich sie Ihnen nicht vergeben. In diesem Falle also werden Sie ohne Absolution sterben und sich am Tage des Gerichtes vor dem allwissenden und allgerechten, ewigen Richter zu verantworten haben. Sterben Sie in Frieden, wenn Sie es können, und Gott sei Ihrer armen Seele gnädig!«
    Er sprach den Segen nicht über ihn und entfernte sich mit dem Assessor.
    »Schrecklich!« meinte dieser. »Wie wichtig wäre mir ein jedes Wort gewesen, selbst wenn es nur eine Andeutung enthalten hätte! Solche Menschen glauben weder an Gott, noch an eine Ewigkeit. Man kann nur mit Schaudern von ihnen fortgehen!«
    Den Fürsten hatte die Botschaft des Staatsanwaltes nicht rechtzeitig angetroffen. Er kam erst nach der Mittagsstunde, als die Expedition in den Gerichtsräumen nach dem Essen wieder begonnen hatte. Er kam nicht allein, sondern er brachte Doctor Zander mit.
    Er ließ sich eben von dem Staatsanwalte und dem Assessor das Vorgekommene erzählen, als der Gerichtsarzt eintrat. Als dieser den jungen Collegen erblickte, nahm er eine sehr reservirte Miene an und sagte:»Störe ich vielleicht bei einer ärztlichen Consultation?«
    »O nein,« antwortete der Staatsanwalt. »Bringen Sie mir vielleicht eine Neuigkeit?«
    »Eine Neuigkeit, ja, aber doch etwas bereits Erwartetes. Seidelmann ist soeben gestorben.«
    »Ach! Also doch! Wohl in Ihrer Gegenwart?«
    »Nein. Ich kam, um nach Horn zu sehen. Dabei wurde mir vom Wachtmeister der Tod des Anderen gemeldet.«
    »Mir aber nicht!«
    »Bitte, der Tod war soeben erst eingetreten, und ich übernahm die Meldung, welche der Wachtmeister Ihnen schuldig

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