Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Ihr Vater sein Brod verloren hätte, wenn Sie ungehorsam gewesen wären.«
    »Nur dieses Eine konnte mich dazu veranlassen.«
    »Ich erfuhr, daß Sie bitterlich geweint hatten, und nun that es mir so unendlich leid, Ihnen in Gedanken so unrecht gethan zu haben. Dies verdoppelte meine Liebe, und als ich dann das Andere hörte, so – so – ja, bei Gott, ich hätte nach Rollenburg gehen können, um diesen Unmenschen zu ermorden, wenn ich noch zur Zeit hätte kommen können.«
    »Ich war auch da unschuldig. Ich hatte keine Ahnung von der Absicht dieses Mannes. Er hatte mich als Cassirerin engagirt, und ich nahm diese Stelle an, weil er gleich Gehalt zahlte und der Vater entlassen worden war.«
    »Ich weiß das. Ich habe Alles von Holm und Zander erfahren. Der Letztere hat Sie ja gerettet.«
    »Ich werde es ihm nie vergessen. Er hat Ihnen Alles erzählt, Alles! Mein Gott!«
    »Das thut Ihnen wehe; ich begreife das. Aber es mag Ihnen auch ein Beweis dafür sein, daß Sie in Ihrer Schönheit ein Gut besitzen, welches einen Mann, der es ehrlich mit Ihnen meint, unendlich glücklich machen kann.«
    »Wenn ich wirklich nicht häßlich bin, so habe ich bisher davon nur Herzeleid gehabt.«
    »So mag es jetzt anders werden! Sie haben gehört, daß ich Sie liebe; Sie werden mir glauben, daß ich es ehrlich meine. Ich lege mein Schicksal in Ihre Hand. Wenn ich glücklich sein soll, so kann ich es nur mit Ihnen sein. Sprechen Sie Ihr Urtheil aus!«
    Er war stehen geblieben, so daß auch sie den Schritt anhielt. Sie standen eine ganze Weile schweigend von einander. Sie kämpfte mit sich selbst.
    Er konnte nicht sehen, wie ihr Busen sich hob und senkte, wie leichenblaß ihr Angesicht geworden war. Es dauerte ihm zu lange.
    »Wird es Ihnen so sehr schwer?« fragte er.
    »Ja.«
    »Und doch ist es so sehr leicht.«
    »O nein, nein!«
    »Sie haben ja nur zwischen den beiden Wörtchen Ja und Nein zu wählen. Bitte, sprechen Sie!«
    »Dann – nein!« stieß sie hervor.
    Er wendete sich halb ab und sagte:
    »Also nein! Wenn ich nur wüßte, weshalb!«
    »Sie wissen es.«
    »Bei Gott, ich weiß es nicht!«
    »Sie haben mich auf der Bühne gesehen – –«
    »Aber Sie waren ja gezwungen worden! Haben Sie übrigens noch nicht gehört, daß Sängerinnen, Tänzerinnen zuweilen Baroninnen und so weiter werden, trotzdem sie ihre Reize Jedem, der das Entree bezahlte, preisgegeben haben?«
    »Aber ich bin keine Tänzerin!«
    »Desto besser!«
    »Und sodann – die Tau-ma!«
    »Sie waren es ja nicht.«
    »Jene Scene in Rollenburg! Ich bin unschuldig daran, aber es kann dennoch nicht vergessen werden.«
    »Nein, es kann nicht vergessen werden, was Sie gelitten haben, Fräulein Werner. Ihre ganze Familie ist so lange, lange Zeit für das Leiden bestimmt gewesen. Es wird Zeit, daß Sie auch einmal ein wenig Sonnenschein empfinden. Ich will meine Frage wiederholen: Hassen Sie mich?«
    »O nein!«
    »Aber ich bin Ihnen gleichgiltig?«
    Sie antwortete nicht; aber er hörte, daß ihr Athem laut ging. Da nahm er ihre Hand, beugte sich tief zu ihr herab und wiederholte: »Bin ich Ihnen gleichgiltig?«
    »Nein,« hauchte sie.
    »Gott! So lieben Sie mich?«
    »Ja.«
    Da nahm er sie leise und langsam an sich, legte ihr seine beiden Hände auf den Kopf und sagte:
    »Dieses Wort werde ich Dir nie, nie vergessen. Bitte, sage es noch einmal, Emilie! Du liebst mich?«
    »Ja, sehr!«
    »So sollst Du von jetzt an glücklich sein, so glücklich wie es in der Macht eines Mannes steht, der sein Weib auf den Händen tragen will!«
    Er küßte sie auf das Haar, nicht auf Mund oder Wange. Gerade jenes Madonnenhafte ihres Wesens übte auch jetzt den hervorragenden Eindruck auf ihn aus. Sie weinte leise vor sich hin.
    »Warum weinst Du?« fragte er.
    Und erst nachdem er seine Frage wiederholt hatte, antwortete sie:
    »Vor Glück.«
    »Bist Du wirklich glücklich?«
    »So sehr, wie es mein Wunsch gewesen ist.«
    »So wollen sie dieses Glück festhalten und es uns nicht untreu werden lassen! Komm!«
    Jetzt nahm er ihren Arm wieder und führte sie zurück. An ihrer Hausthür angekommen, fragte er:
    »Hast Du den Schlüssel?«
    »Ja.«
    »Bitte, gieb ihn mir!«
    Er schloß auf, trat ein und öffnete auch das Thor des Hofes.
    »Nicht wahr, da oben im dritten Stockwerke, wo die zwei Fenster noch erleuchtet sind, wohnt Ihr jetzt?«
    »Ja.«
    »Denkst Du, daß Dein Vater noch wach ist?«
    »Ganz gewiß, und die Anderen auch. Sie gehen nicht schlafen, bevor ich komme.«
    »So

Weitere Kostenlose Bücher