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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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laß’ uns hinauf gehen!«
    »Du auch mit?« fragte sie überrascht.
    »Ja. Oder denkst Du nicht?«
    »Es ist doch wohl zu spät dazu. Wenn Du mit Vater sprechen willst, so komme morgen, bitte!«
    »O, um ein Glück zu erfahren, dazu ist es niemals zu spät. Es ist die erste Bitte, die ich an Dich richte, und die darfst Du mir nicht abschlagen! Darf ich mit hinauf?«
    »Aber man ist auf Besuch nicht mehr gefaßt!«
    »Doch, komm!«
    Sie hatte recht gehabt. Werner war noch mit seiner ganzen Familie munter. Der heutige Besuch des Arztes und des Fürsten hatte diesem Tage eine ganz besondere Weihe gegeben. Sie hatten immer und immer wieder von diesen beiden Männern gesprochen, und so war ihnen die Zeit vergangen, ohne daß sie es beobachtet hatten. Jetzt nun hörten sie Schritte auf der Treppe.
    »Da kommt Emilie,« sagte Laura, welche unschuldig im Zuchthause gewesen war.
    »Das sind Zwei, die da kommen,« meinte Werner. »Wohl gar Männerschritt! Wer mag das sein?«
    Jetzt trat Emilie ein und hinter ihr Adolf. Der frühere Theaterdiener kannte ihn. Er wußte, daß er Geheimpolizist sei, und darum erschrak er jetzt. Dieser Polizist brachte Emilie geführt. Was war geschehen?
    »Guten Abend,« erwiderte er den höflichen Gruß Adolf’s. »Sie kommen zu so später Stunde. Was ist geschehen?«
    »Etwas sehr Wichtiges, Herr Werner, sonst käme ich nicht so spät, es Ihnen mitzutheilen.«
    »Fast hat es den Anschein, als ob Sie meine Tochter gar arretirt hätten!«
    »Sie brauchen zwar gar nicht zu erschrecken, aber es ist wirklich so: Ich habe sie arretirt.«
    »Herrgott!«
    »Ja, und zwar nicht für kurze, sondern für sehr lange Zeit.«
    »Warum denn, warum?«
    »Weil ich ihr so recht von Herzen gut bin und sie mir auch.«
    Werner blickte ihn zunächst fassungslos an.
    »Sie scherzen,« sagte er dann.
    »Ich spreche im Ernste, bester Herr.«
    »Sie sagten, daß Sie Emilie lieben?«
    »Ja, doch vorerst wollen wir noch von etwas Anderem sprechen. Meine Liebe zu Ihrer Tochter ist ja kein Grund, Sie um Mitternacht noch zu belästigen. Ich habe Ihnen aber einige Mittheilungen zu machen, die so erfreulich sind, daß ich sie nicht bis morgen aufschieben wollte. Sie wissen, daß ich Polizist bin und als solcher Manches weiß, was Andere nicht erfahren. Also zunächst: die Leda hat eingestanden.«
    »Wirklich?« rief Laura aus.
    »Ja. Sie hat von dem Tode des Lieutenants von Scharfenberg erfahren. Dies hat solchen Eindruck auf sie gemacht, daß sie ein offenes Geständniß abgelegt hat.«
    »Gott sei Dank!« meinte Werner. »Das vereinfacht jedenfalls das Verfahren, so daß die Untersuchung gegen die Tänzerin schneller beendet ist.«
    »Natürlich.«
    »Und an der Unschuld meiner Tochter kann nicht mehr gezweifelt werden. Nicht wahr?«
    »Die ist nun vollständig erwiesen.«
    »Ich danke Ihnen! Das ist allerdings eine Botschaft, mit der Sie nicht aus Rücksicht auf die späte Stunde bis morgen zu warten brauchten.«
    »O, ich bringe nicht diese Botschaft allein.«
    »Noch mehr?«
    »Ja. Nämlich der Herr Circusdirector Baumgarten ist heute mit seinem ganzen Personal hier angekommen.«
    »Giebt es hier Vorstellung?«
    »Das nicht. Sie sind nämlich als Gefangene hier eingeliefert worden.«
    »Sapperment!«
    »Sie sollen hier abgeurtheilt werden, weil Sie hier Mitschuldige haben. So zum Beispiel den Herrn Intendanten.«
    »Der wird als Mitschuldiger betrachtet?«
    »Ja, er ist arretirt.«
    »Ist das möglich?«
    »Ich selbst habe ihn arretirt und in die Zelle gebracht.«
    »Ah, das ist ihm recht!«
    »Sie wissen ja, wie er an Ihrer Tochter gehandelt hat.«
    »Wird er sein Amt behalten?«
    »Auf keinen Fall. Es wird überhaupt in Beziehung auf das Oberbeamten-Personal des Residenztheaters eine bedeutende Änderung eintreten. Vielleicht ist es möglich, daß Sie Ihre Stelle wieder bekommen.«
    »Das wäre herrlich!«
    »Oder gar eine andere.«
    »Welche denn?«
    »Hm! Haben Sie gehört, was mit dem Kassirer los ist?«
    »Ja.«
    »Das, ja das wäre eine Stelle für Sie!«
    »Herrgott, ja! Aber so wohl wird es Unsereinem nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Dazu gehört Protection.«
    »Die haben Sie.«
    »Und Geld zur Caution.«
    »Das haben Sie.«
    »O weh! Ich und Protection und Caution!«
    »Natürlich haben Sie Beides!«
    »Wo denn?«
    »Hier in meiner Tasche.«
    »Da verstehe ich Sie freilich nicht.«
    »Ich will verständlich werden. Hier haben Sie es Schwarz auf Weiß!«
    Er gab ihm das Decret hin. Werner las es, ließ in

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