Der verlorne Sohn
freudigem Schreck die Arme sinken und fragte:
»Das ist Wahrheit?«
»Ja.«
»Wem habe ich das zu verdanken?«
»Dem Fürsten von Befour.«
»Dem! Herr mein Gott, welch’ eine Ueberraschung und welch’ ein großes Glück! Frau, Kinder, ich bin zum Theatercassirer ernannt, und der Fürst zahlt die Caution für mich! Nun ist es aus mit aller Noth und Sorge!«
Diese Nachricht brachte natürlich einen unbeschreiblich freudigen Eindruck hervor. Es erhob sich ein lauter Jubel. Emilie aber reichte dem Geliebten thränenden Auges die Hand und sagte: »Also deshalb wolltest Du partout mit herauf. Heimlichthuer! Aber ich danke Dir doch von ganzem Herzen!« – –Gegen Abend war der Amtsbote in die Wohnung des gefangenen Apotheker Horn gekommen und hatte den Angehörigen desselben gemeldet, daß er gestorben sei. Seine Nachricht schien weder Schrecken noch Trauer zu erregen. Es ertönte vielmehr die eilige Frage: »Wann ist er gestorben?«
»Um zwei Uhr Nachmittags.«
»Er war aber gar ja nicht krank!«
»Er hat einen Blutsturz gehabt.«
»Wann wird er begraben?«
»Zur gesetzlichen Zeit natürlich.«
»Und wo?«
»Auf dem Gottesacker. Nicht?«
»Das versteht sich von selbst. Aber wer hat ihn denn zu begraben. Wir oder das Gericht?«
»Das wird sich erst noch finden. Zunächst habe ich Ihnen nur zu melden, daß er gestorben ist.«
»Man hat seine Leiche doch nach dem Gottesacker in das Leichenhaus geschafft?«
»Nein. Sie liegt im Gefängnisse.«
»Warum denn das? Man wird doch keine Leiche d’rin behalten.«
»Jedenfalls nicht. Aber zunächst wollen wir sehen, ob wir wirklich eine Leiche haben.«
»Wieso? Wenn er todt ist, ist er doch Leiche.«
»Ja, wenn er todt ist. Adieu.«
»O bitte, dürfen wir ihn besuchen?«
»Wozu?«
»Sie sehen doch ein, daß wir unsern Vater noch einmal sehen wollen!«
»Ja, das sieht man ein. Jedenfalls dürfen Sie mit beim Begräbnisse sein. Wenden Sie sich in dieser Beziehung an den Herrn Assessor von Schubert. Der ist Untersuchungsrichter und hat zu bestimmen.«
»Wir werden den Todten aber wohl auch noch eher als beim Begräbniß sehen dürfen?«
»Das bezweifle ich. Fragen Sie den Herrn Assessor!«
Er ging. Sie horchten, ob er sich wirklich entferne, und dann sagte die Alte:
»Endlich! Also Mittags zwei Uhr! Da wird er morgen um dieselbe Zeit wieder lebendig. Aber er ist nicht in die Leichenhalle geschafft worden. Wie können wir ihm denn da helfen? Mir ist angst um ihn.«
»Man scheint Verdacht zu hegen,« meinte Jette.
»Ja, das hörte man dem Boten deutlich an.«
»Wenn er sich noch im Gefängniß befindet, wenn er wieder lebendig wird, so ist der Plan zu Schanden gemacht. Mutter, es ist am Besten, Du gehst gleich jetzt zu diesem Assessor von Schubert. Wir müssen wissen, wann und wo wir den Vater zu sehen bekommen.«
»Wenn ich ihn nun sogleich sehen darf; soll ich das Pulver mitnehmen, welches er braucht?«
»Nein. Man könnte Dich aussuchen. Jetzt wollen wir nur erst erfahren, wann wir ihn sehen können.«
Die Alte machte sich auf den Weg. Später kehrte sie niedergeschlagen zurück. Sie war zwar vorgelassen worden, hatte aber erfahren, daß man sie und ihre Kinder benachrichtigen werde, wann Horn begraben werde. Eher aber sei er nicht zu sehen.
Und um dieselbe Zeit kam Doctor Zander zu dem Staatsanwalte und theilte ihm mit, daß er das Blutwasser nun mikroskopisch untersucht habe.
»Und was ist das Resultat?«
»Daß ich meinen Verdacht nicht fallen lassen kann. Ein absolutes Ergebniß liegt nicht vor, das wird uns erst die chemische Analyse bieten; aber mir scheint, als sei das Blutwasser von einer ungewöhnlichen mechanischen Zusammensetzung. Ich bitte, die beiden Leichen ja nicht aus Verschluß zu geben.«
»Das werden wir nicht thun, bis Sie mit Ihrer chemischen Untersuchung zu Ende sind. Wann wird das sein?«
»Einen vollen Tag brauche ich dazu.«
»O weh! Also bis morgen um diese Zeit?«
»Ja. Ich werde da selbst wiederkommen.«
Die beiden in der Krankenstation befindlichen Leichen waren also eingeschlossen, und außerdem kam der Schließer allstündlich, um zu inspiziren.
Am Nachmittage waren aus Rollenburg Untersuchungsgefangene eingetroffen. Die Zellen reichten kaum zu. Unglücklicher Weise erkrankte einer dieser Leute während der Nacht in ernstlicher Weise. Als der Bezirksgerichtsarzt ihn am Morgen untersuchte, erklärte er, daß ein nervöses Fieber im Anzuge sei, und daß der Patient nicht in der Zelle behandelt werden könne,
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