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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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solchen Dingen nicht mehr spricht. Sie kennen wohl meine damalige Wirthin?«
    »Ja.«
    »Sie war eine Wittwe, kinderlos und nicht häßlich. Ich hatte schon längst gemerkt, daß sie mir Interesse zeigte, für welches ich keine Dankbarkeit empfand. An jenem Abende nun hatte sie gesehen, daß ich Sie nach Hause begleitet hatte. Das erregte ihre Eifersucht. Sie wurde aufrichtig, sie sprach von ihrer Liebe. Als ich ihr einfach sagte, daß ich nicht gesonnen sei, mir von ihr einen Heirathsantrag machen zu lassen, weinte, jammerte und zürnte sie. Es gab eine widrige Scene, in Folge deren ich ihr eröffnete, daß ich gleich des anderen Morgens mich nach einer anderen Wohnung umsehen werde. So also kam es, daß ich nicht mehr am Fenster stand.«
    Es wurde Emilie ganz eigenthümlich um das Herz.
    »Deshalb also sind Sie so plötzlich ausgezogen?« fragte sie.
    »Ja. Dachten Sie sich einen anderen Grund?«
    »Ja,« entfuhr es ihr.
    »Darf ich ihn erfahren?«
    »O bitte, nein! Ich kann nicht davon sprechen.«
    »Wie Sie wünschen, Fräulein. Ich hätte Sie trotz des Wohnungswechsels wiedersehen können. Es ist ja Alles möglich zu machen, was man sich wünscht, aber –«
    »Aber Sie wünschten es nicht!« fiel sie ein.
    »Wie? Sie meinen, ich hätte nicht gewünscht, Sie wieder zu sehen?«
    »Ja.«
    »Da irren Sie allerdings. Ich war so glücklich darüber gewesen, daß ich Sie an jenem Abende begleiten durfte; ich hatte gedacht, daß dies vielleicht noch öfters geschehen könne; aber es sollte anders kommen. Als ich nämlich einige Zeit später in’s Bureau kam, wurde mir eröffnet, daß sich ein Fremder hier niedergelassen habe, der Fürst von Befour. Er hatte um zwei Polizisten nachgesucht und man hatte sich für mich und Anton entschieden. Ich mußte also zu ihm in die Palaststraße ziehen. Ich darf nicht sagen, zu welchen Zwecken wir engagirt worden waren; aber es galt, eine wahrhaft fieberhafte Thätigkeit zu entwickeln. Wir hatten Tag und Nacht zu thun, und unsere persönlichen Wünsche mußten zurück treten. Jetzt nun sind wir wieder zu Athem gekommen, und da ich von Anton hörte, daß Sie zuweilen bei Wachtmeisters seien, so unterließ ich es nicht, mich dort auch einzufinden.«
    Er machte eine Pause. Sie sagte kein Wort; sie ging still neben ihm her. Darum fragte er:
    »Sie werden mir zürnen, daß ich Sie mit dieser Angelegenheit, die Ihnen ja so gleichgiltig ist, langweile?«

    »O nein.«
    »Hätten Sie sich gefreut, wenn ich nicht ausgezogen wäre?«
    »Ihr schnelles Verschwinden überraschte mich.«
    »Aber es betrübte Sie nicht?«
    »Herr Adolf!«
    »Verzeihen Sie! Ich möchte Ihnen nicht weh thun und Sie um Alles in der Welt nicht erzürnen; aber ich sah heute den Freund so glücklich, daß ich wünschte, ebenso glücklich zu sein. Ich habe, gleich als ich Sie zum ersten Male sah, an dieses Glück gedacht, und dieser Gedanke ist mir auch nicht wieder aus dem Sinn gekommen. Erinnern Sie sich wohl noch der Worte, welche ich sagte, als ich von Ihnen an Ihrer Thüre Abschied nahm?«
    »Ja.«
    »Ah, Sie haben sie nicht vergessen? Ich danke Ihnen.«
    »Es war ein Scherz.«
    »Ein Scherz? Sie glauben, daß es mir mit jenen Worten nicht ernst gewesen ist?«
    »Ja, das glaube ich.«
    »Und warum glauben Sie es?«
    »Weil – weil – –«
    Sie stockte. Sie wußte nicht, was sie antworten sollte. Die Wahrheit konnte sie ja unmöglich sagen.
    »Weil – weil – –? Ich möchte so gerne Ihre Antwort hören; sie hätte so großen Werth für mich!«
    »O, jetzt höre ich, daß Sie nicht nur scherzen. Jetzt spotten Sie sogar.«
    »Spotten? Ist es möglich, daß Sie das denken?«
    »Ich denke es, und es ist auch wahr. Wie kann eine Antwort von mir für Sie einen Werth haben!«
    »Einen großen, sehr großen sogar! Sie wissen, Fräulein Werner, daß ich kein Grünschnabel bin und einem sehr ernsten Beruf angehöre. Ich spreche und denke nicht wie ein achtzehnjähriger junger Mensch, der heute so fühlt und morgen anders. Ich habe Ihnen damals gesagt, daß ich mit Ihnen durch das Leben gehen möchte, und es ist mir dabei ernst, sehr ernst gewesen. Wollen Sie mir das glauben?«
    »Es ist mir nicht möglich, es zu glauben.«
    »Warum nicht? Bitte, sagen Sie mir es!«
    »O nein, nein! Da ist meine Wohnung. Bitte, lassen Sie uns scheiden. Es ist schon so spät!«
    »Ja, es ist schon so spät,« sagte er traurig. »und für mich ist es schon zu spät!«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich habe, um meine Berufspflichten zu

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